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Das Leben, natürlich: Roman (German Edition)

Das Leben, natürlich: Roman (German Edition)

Titel: Das Leben, natürlich: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth Strout
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diesen unangenehmen Unterton, von dem sie wegzukommen versuchte, um wieder mehr ihrem Bild von sich selbst zu entsprechen. Und wie jedes Mal hoffte sie, dass es ein einmaliger Zwischenfall war, der mit nichts in Zusammenhang stand.

4
    Einen Tag vor Zachs Gerichtstermin – bei dem Charlie seine Anträge auf Nachrichtensperre und Änderung der Kautionsauflagen erneuern würde – saß Susan in ihrem Auto am Rand des Parkplatzes hinter dem Einkaufszentrum. Es war ihre Mittagspause, und das Thunfischsandwich, das sie sich am Morgen gemacht hatte, lag in einem Plastikbeutel auf ihrem Schoß. Neben ihr auf dem Beifahrersitz lag das Mobiltelefon, und sie sah viele Male unschlüssig darauf, ehe sie es in die Hand nahm und die Nummer eintippte. »Worum geht es?«, fragte eine Frauenstimme, die Susan nicht kannte.
    Susan öffnete das Autofenster einen Spaltbreit. »Kann ich ihn nicht einfach kurz sprechen? Er kennt mich seit Ewigkeiten.«
    »Ich muss Ihre Karte heraussuchen, Mrs. Olson. Wann sind Sie zuletzt hier gewesen?«
    »Ach, Himmel, ich will keinen Termin«, sagte Susan.
    »Handelt es sich um einen Notfall?«, fragte die Sprechstundenhilfe.
    »Ich brauch was zum Einschlafen«, sagte Susan, kniff die Augen zusammen und presste die Faust an die Stirn, denn in ihrer Vorstellung hätte sie ebenso gut ein Megaphon nehmen und öffentlich verkünden können, dass Zachary Olsons Mutter um Schlaftabletten bat. Die wird schon immer süchtig gewesen sein, würden die Leute sagen. Kein Wunder, dass sie nicht weiß, was ihr Junge treibt.
    »Das können Sie mit dem Doktor besprechen, wenn Sie hier sind. Passt es Ihnen Donnerstagmorgen?«
    Susan rief Bob in seinem Büro an, und Bob sagte: »Ach, Susie, ist das nicht zum Kotzen? Ruf einen anderen Arzt an, sag ihm, du stirbst vor Halsschmerzen und hast Fieber, dann kriegst du sofort einen Termin. Mach das Fieber hoch. Erwachsene haben selten hohes Fieber. Und dann erzählst du ihm, warum du wirklich gekommen bist.«
    »Ich soll lügen ?«
    »Pragmatisch sein sollst du.«
    Am Abend hatte Susan ein Päckchen Beruhigungspillen und ein Päckchen Schlaftabletten. Sie war zu einer Apotheke zwei Ortschaften weiter gefahren, damit niemand erfuhr, dass sie zu so etwas griff. Aber als es Zeit wurde, eine zu schlucken, stellte sie sich den Schlaf, in den sie fallen würde, so schwarz wie den Tod vor, und sie rief wieder Bobby an.
    Er hörte ihr zu. »Nimm jetzt gleich eine, während wir telefonieren«, schlug er vor. »Ich rede so lange, bis du müde wirst. Wo ist Zach?«
    »In seinem Zimmer. Wir haben uns schon gute Nacht gesagt.«
    »Okay. Es wird alles gut. Zach muss morgen nur das sagen, was Charlie ihm vorsagt. Keine fünf Minuten, und ihr seid wieder draußen. Entspann dich einfach, und ich rede dich in den Schlaf. Ich hab mit Jim gesprochen, und jetzt rate mal. Ich bringe ihn mit zur Kundgebung. Er wird ein paar Worte sagen. Und dann seine Politikershow abziehen, Jesus wird euch erquicken … nur ein Witz, Susie, von Jesus sagt er kein Wort, um Gottes willen, stell dir das bloß mal vor. Er redet gleich nach Dick Hartley, dieser Schlaftablette, den solltest du dir verschreiben lassen, Susie, und Jim wird sagen, Dickie, du bist der Größte, ihm ein bisschen auf die Schulter klopfen, bevor er dann versucht, ihm nicht die Schau zu stehlen, was ein ziemlich aussichtsloses Unterfangen sein dürfte, Jim wird auch den Gouverneur in die Tasche stecken, wusstest du, dass der Gouverneur kommt? Jim steckt sie alle miteinander in die Tasche. Wir bringen Zach heil und sicher da durch, Susie, und dann fahren wir mit dem Auto zurück nach New York. Hast du die Pille schon geschluckt? Trink ein halbes Glas Wasser, damit sie besser rutscht. Ja, mindestens ein halbes Glas.
    Wie’s aussieht«, fuhr Bob fort, »haben sie in der City Hall in Shirley Falls – he, das reimt sich beinahe, City Hall in Shirley Falls – ziemlich die Nase voll von dem Wirbel, der um die Sache gemacht wird. Jim sagt, Charlie sagt, dass bereits interne Grabenkämpfe ausgebrochen sind. Zwischen Polizei, Stadtrat und Kirche. Jedenfalls solltest du dir keine allzu großen Sorgen machen, Suse, das will ich damit sagen. Wie du gesagt hast, es ist einfach ein gefundenes Fressen für die Liberalen – so etwas brauchen sie, gerade da oben in Maine. Wie Freiübungen, einatmen, ausatmen, wir sind die Aufrechten, die ach so Rechtschaffenen … Wie fühlst du dich, Susie, wenigstens ein bisschen müde?«
    »Nein.«
    »Okay. Keine Sorge.

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