Das Leben und das Schreiben
Wenn Sie ein schlechter Schriftsteller sind, kann Ihnen niemand dabei helfen, ein guter Autor zu werden, ja nicht einmal ein passabler. Wenn Sie gut sind und hervorragend werden möchten – vergiss es!
Im Folgenden erzähle ich, was ich über die Kunst weiß, gute Bücher zu schreiben. Ich werde mich so kurz wie möglich fassen, denn Ihre Zeit ist wertvoll, meine auch, und wir beide wissen, dass die Zeit, in der wir über das Schreiben sprechen, Zeit ist, in der wir es nicht tun . Ich werde Sie nach besten Kräften ermutigen, weil das in meiner Natur liegt und weil ich diesen Beruf liebe. Ich möchte, dass auch Sie ihn lieben. Aber wenn Sie nicht bereit sind, sich auf den Hosenboden zu setzen und hart zu arbeiten, brauchen Sie gar nicht erst zu versuchen, ein guter Schriftsteller zu werden: Ruhen Sie sich auf Ihren passablen Fähigkeiten aus, und seien Sie dankbar, dass Sie wenigstens die besitzen. Es gibt eine Muse 7 , aber er kommt bestimmt nicht in Ihr Arbeitszimmer geflattert und streut kreativen Feenstaub auf Schreibmaschine oder Computer. Er lebt unter der Erde. Er ist ein Kellerwesen. Sie müssen sich zu ihm hinunterbegeben, und wenn Sie erst einmal da sind, müssen Sie ihm eine Wohnung einrichten, in der er leben kann. Anders ausgedrückt: Sie müssen die ganze Drecksarbeit machen, während sich der Musentyp hinfläzt, Zigarren raucht, seine Bowlingtrophäen bewundert und so tut, als wären Sie nicht vorhanden. Finden Sie das gerecht? Ich schon. Er sieht vielleicht nicht besonders toll aus, dieser Musentyp, und vielleicht ist er auch nicht sonderlich gesprächig (aus meinem bekomme ich auch selten mehr als ein Grunzen heraus, wenn er nicht im Dienst ist), aber er verfügt eben über die Inspiration. Ich finde es richtig, dass Sie die ganze Arbeit machen und nächtelang schuften, weil der Typ mit der Zigarre und den kleinen Flügeln eine Zaubertüte hat. Und da sind Sachen drin, die Ihr Leben verändern können.
Glauben Sie mir, ich weiß Bescheid.
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Wenn Sie Schriftsteller werden wollen, müssen Sie vor allem zweierlei tun: Viel lesen und viel schreiben. Um diese beiden Dinge kommen Sie nicht herum, nicht dass ich wüsste. Da gibt’s keine Abkürzung.
Ich lese langsam, aber ich schaffe gewöhnlich im Jahr siebzig, achtzig Bücher, hauptsächlich Belletristik. Ich lese nicht, um das Handwerk zu studieren, sondern weil es mir Spaß macht. Das mache ich abends in meinem blauen Sessel. Ich lese auch keine Belletristik, um die Technik der anderen zu analysieren, sondern weil ich gern schmökere. Und dennoch lernt man dabei. Von jedem Buch, das man in die Hand nimmt, kann man etwas lernen, und oft sind es die schlechten Bücher, die mehr lehren als die guten.
Als ich in der achten Klasse war, stieß ich auf einen Taschenbuchroman von Murray Leinster, ein Verfasser von Science-Fiction-Schundheften, der die meisten seiner Werke in den Vierziger- und Fünfzigerjahren veröffentlichte, als Zeitschriften wie Amazing Stories einen Penny pro Wort zahlten. Ich hatte schon andere Bücher von Mr. Leinster gelesen und wusste daher, dass die Qualität seines Schreibens unbeständig war. Die Geschichte, von der ich hier spreche, handelte vom Bergbau im Asteroidengürtel und gehörte zu seinen weniger erfolgreichen Versuchen. Das ist noch höflich ausgedrückt. In Wirklichkeit war es eine furchtbare, mit eindimensionalen Figuren bevölkerte Geschichte, deren Handlung durch die seltsamsten Wendungen vorangetrieben wurde. Am schlimmsten war (so kam mir das damals wenigstens vor), dass sich Leinster in das Wort zestful ( lustvoll ) verliebt hatte. Mit lustvollem Lächeln sahen die Menschen im Buch die erzhaltigen Asteroiden näher kommen. Die Figuren setzten sich an Bord ihres Raumschiffs mit lustvoller Erwartung zum Abendessen. Gegen Ende des Buches zieht der Held die großbusige blonde Heldin lustvoll in seine Arme . Für mich war das wie eine literarische Pockenimpfung: Soweit ich weiß, habe ich niemals das Wort zestful in einem Roman oder einer Geschichte verwendet. So Gott will, werde ich es auch nie tun.
Bergbau im Asteroidengürtel (so hieß das Buch nicht, aber es käme hin) war ein wichtiges Buch für mich als Leser. So wie sich fast jeder daran erinnern kann, wie er seine Jungfräulichkeit verlor, können sich die meisten Schriftsteller an das erste Buch erinnern, das sie mit dem Gefühl zur Seite legten: Das könnte ich besser. Zur Hölle, das kann ich schon längst besser! Was könnte ermutigender sein
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