Das Leben und das Schreiben
Faulkner, Yeats, Shaw und Eudora Welty. Sie sind Genies, göttliche Zufälle mit einer Begabung, die wir nicht begreifen können, erlangen schon gar nicht. Meine Güte, die meisten Genies verstehen sich noch nicht einmal selbst, und viele von ihnen führen ein elendes Leben, weil sie wissen (zumindest bis zu einem gewissen Grad), dass sie einfach nur außergewöhnlich große Glückspilze sind. Sie sind die intellektuelle Version von Supermodels, die zufällig mit den richtigen Wangenknochen und dem Geschmack der Zeit entsprechenden Brüsten geboren wurden.
Mit zwei simplen Thesen komme ich nun zum Kern dieses Buches. Erstens: Um gut zu schreiben, muss man die Grundlagen beherrschen (Wortschatz, Grammatik, Stilistik) und die dritte Ebene des Werkzeugkastens mit dem richtigen Werkzeug bestücken. Zweitens: Zwar kann man aus einem schlechten Schriftsteller keinen passablen und aus einem guten Schriftsteller kein Genie machen, doch ist es mit sehr viel harter Arbeit, Hingabe und Unterstützung im richtigen Moment durchaus möglich, von einem passablen zu einem guten Autor zu werden.
Leider ist die Zahl der Kritiker und Schreiblehrer spärlich, die diese Überzeugung teilt. Viele haben zwar eine liberale politische Einstellung, sind jedoch auf ihrem Spezialgebiet absolute Betonköpfe. Die Männer und Frauen, die auf die Straße gehen, um gegen den Ausschluss von Afroamerikanern und eingeborenen Amerikanern (ich kann mir vorstellen, was Mr. Strunk zu diesen politisch korrekten, aber umständlichen Ausdrücken gesagt hätte) aus dem Country Club zu protestieren, sind oft dieselben, die ihrer Klasse erzählen, die schriftstellerische Begabung als solche sei gegeben und unveränderlich – einmal Schmierfink, immer Schmierfink. Selbst wenn ein Schriftsteller in der Achtung von ein, zwei einflussreichen Kritikern steigt, wird er seinen früheren Ruf nicht los – so wie eine ehrbare Ehefrau, die in ihrer Jugend nichts ausgelassen hat. Manche Menschen vergessen eben nie; und die Literaturkritik dient oft nur dem einen Zweck, ein Kastensystem zu erhalten, das so alt ist wie der intellektuelle Snobismus, aus dem es hervorgegangen ist. Raymond Chandler mag inzwischen als wichtige Figur der amerikanischen Literatur des 20. Jahrhunderts gewürdigt werden, als Stimme, die schon früh die zerrüttete Sozialstruktur in den Städten nach dem Zweiten Weltkrieg beschrieb, doch es gibt viele Kritiker, die diese Würdigung schlichtweg zurückweisen würden. Er ist ein Schmierfink!, rufen sie entrüstet. Ein eingebildeter Schmierfink! Das sind die Allerschlimmsten! Jene, die sich einbilden, sie könnten zu uns gehören!
Kritikern, die versuchen, sich über diese intellektuelle Arterienverkalkung zu erheben, ist oft nur wenig Erfolg beschieden. Möglicherweise nehmen ihre Kollegen Chandler in die Gemeinschaft der Großen auf, aber dann sitzt er am Fußende der Tafel, und die ganze Zeit wird geflüstert: Der kommt aus der Schundecke, wissen Sie … für so einen macht er sich ganz gut, oder? … wussten Sie, dass er in den Dreißigern für Black Mask geschrieben hat … ja, bedauerlich …
Selbst Charles Dickens, der Shakespeare des Romans, musste ständig Angriffe über sich ergehen lassen, weil seine Themen oft spektakulär waren, weil er sich unbeschwert fortpflanzte (wenn er keine Romane produzierte, produzierte er mit seiner Frau Kinder) – und natürlich, weil er beim lesenden Bodensatz seiner und unserer Zeit Erfolg hatte. Kritiker und Literaturwissenschaftler standen Publikumserfolgen schon immer argwöhnisch gegenüber. Oft ist dieser Argwohn gerechtfertigt. In anderen Fällen ist er nur ein Vorwand, um nicht denken zu müssen. Es gibt intellektuell gesehen niemand Fauleres als wirklich intelligente Menschen; sobald sie die geringste Möglichkeit sehen, legen sie die Riemen ein und lassen sich treiben … Sie dösen nach Byzanz, sozusagen.
Ja, ich rechne damit, von einigen beschuldigt zu werden, hier eine gedankenlose, glückselig machende Horatio-Alger-Philosophie (nach dem Motto »vom Tellerwäscher zum Millionär«) zu propagieren, womit ich gleichzeitig meinen eigenen ganz und gar nicht unbefleckten Ruf verteidige. Und auch damit, dass mir vorgeworfen wird, Menschen, die »einfach nicht zu uns gehören, alter Knabe« zu ermutigen, sich für die Mitgliedschaft im Country Club zu bewerben. Ich schätze, damit werde ich leben können. Aber bevor wir weitermachen, möchte ich den wichtigsten Merksatz noch einmal wiederholen:
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