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Das Leben und das Schreiben

Das Leben und das Schreiben

Titel: Das Leben und das Schreiben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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welchem Gerät auch immer Sie in Ihrem Sportstudio Ausdauertraining betreiben. Ich versuche, jeden Tag eine Stunde lang meine Kondition zu trainieren, und ich würde wahrscheinlich verrückt werden, wenn ich keinen guten Roman dabeihätte. Inzwischen sind die meisten Studios (und auch die Fitnessräume zu Hause) mit Fernsehern ausgestattet, aber beim Sport und auch anderswo ist ein Fernseher so ungefähr das Letzte, was ein angehender Schriftsteller braucht. Wenn Sie der Meinung sind, Sie müssten sich beim Trainieren das Gequatsche von Nachrichtensprechern auf CNN, das Gesülze von Wertpapierexperten auf MSNBC oder das Gelaber von Sportreportern auf ESPN ansehen, sollten Sie jetzt noch einmal gründlich über die Frage nachdenken, wie ernst es Ihnen damit ist, ein Schriftsteller zu werden. Sie müssen bereit sein, sich ernsthaft der Fantasiewelt in Ihrem Innern zuzuwenden. Und das bedeutet leider: Auf Wiedersehen, Geraldo, Keith Oberman und Jay Leno! Lesen braucht Zeit, und davon verschlingt die Mattscheibe zu viel.
    Hat man sich die oberflächliche Lust auf Fernsehen erst einmal abgewöhnt, merken die meisten Menschen, dass ihnen Lesen Spaß macht. Ich würde sogar behaupten, dass Ihre Lebensqualität und die Qualität Ihres Schreibens deutlich verbessert werden, wenn Sie die endlos quasselnde Kiste ausschalten. Und so groß kann das Opfer doch nicht sein, oder? Ich meine, wie oft müssen FRASIER oder EMERGENCY ROOM wiederholt werden, bis das Leben eines Amerikaners vollkommen ist? Wie viele Infomercials von Richard Simmons? Wie viele Insiderberichte aus Washington auf CNN? O Mann, ich muss mich zusammenreißen. Jerry-Springer-Dr. -Dre-Judge-Judy-Jerry-Falwell- Donny-und-Marie … Ich schließe die Beweisführung.
    Als mein Sohn Owen ungefähr sieben Jahre alt war, wurde er ein großer Fan von Bruce Springsteens E Street Band, besonders von Clarence Clemons, dem stämmigen Saxofonisten der Band. Owen wollte Unterricht nehmen, um so spielen zu können wie Clarence. Meine Frau und ich waren belustigt und erfreut zugleich über seinen ehrgeizigen Wunsch. Auch hegten wir, wie wohl alle Eltern, Hoffnungen, unser Sohn würde sich als hochbegabt erweisen, vielleicht sogar als musikalisches Wunderkind. Wir schenkten Owen zu Weihnachten ein Tenorsaxofon und Unterricht bei Gordon Bowie, einem Musiker aus unserer Gegend. Dann drückten wir die Daumen und hofften das Beste.
    Rund sieben Monate später schlug ich meiner Frau vor, die Saxofonstunden einzustellen, falls Owen einverstanden sei. Owen war einverstanden, und er war spürbar erleichtert. Er hatte nicht selbst fragen wollen, insbesondere nicht, weil er sich das Saxofon gewünscht hatte. Sieben Monate waren allerdings genug Zeit gewesen, um ihn merken zu lassen, dass er zwar Clarence Clemons großartigen Sound liebte, das Saxofon aber nichts für ihn war. Gott hatte ihm dieses spezielle Talent nicht gegeben.
    Ich hatte es gemerkt, aber nicht, weil Owen aufgehört hatte zu üben, sondern weil er nur in den von Mr. Bowie vorgeschriebenen Stunden übte: vier Tage in der Woche eine halbe Stunde nach der Schule und eine Stunde am Wochenende. Owen beherrschte Noten und Tonleitern – mit seinem Gedächtnis, seiner Lunge und seiner Augen-Hand-Koordination war alles in Ordnung -, aber wir hörten ihn nie etwas ausprobieren, nie überraschte er sich mit neuen Tönen oder freute sich am Klang. Und sobald die angesetzte Übungszeit vorbei war, wanderte das Instrument zurück in den Koffer, wo es bis zur nächsten Unterrichtsstunde oder Übungszeit blieb. Dadurch wurde mir eines klar: Mein Sohn würde das Saxofon nie einfach so zum Spaß spielen – für ihn war das Spielen gleichbedeutend mit Probenzwang. Und das ist nicht gut. Wenn es keinen Spaß macht, bringt es nichts. Dann versucht man es besser auf einem Gebiet, auf dem man talentierter ist und das einen höheren Spaßfaktor bietet.
    Hat man eine bestimmte Begabung, ist die Bezeichnung Üben nicht mehr angebracht. Findet man etwas, was man besonders gut kann, so macht man es (was auch immer es ist), bis die Finger bluten oder einem die Augen aus dem Kopf fallen. Auch wenn niemand zuhört (oder liest oder zusieht), ist jeder Versuch ein Bravourstück, da man sich selbst als Schöpfer glücklich macht, vielleicht sogar bis zur Ekstase. Das gilt für das Lesen und Schreiben ebenso wie für das Spielen eines Instruments, für das Baseballspiel oder den 4-Meilen-40-Yards-Lauf. Das von mir propagierte, anstrengende

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