Das Leben Zimmer 18 und du
Schritt, mein altes Leben hinter mir zu lassen, hatte ich unendlich große Angst und der Gedanke daran hat mich fast umgebracht, schon allein aus Angst, meinem Mann Schmerz zuzufügen. Dass ich trotzdem stark genug war, den Schritt zu gehen, ist für mich noch immer unfassbar. Aber jetzt, da ich den Schritt gewagt habe, weiß ich, dass es der richtige war. Zum ersten Mal in meinem Leben bin ich bei mir selbst angekommen.
Ich möchte nur, dass ihr wisst, dass diese Entscheidung die richtige war. Es geht mir gut, so gut wie nie zuvor in meinem Leben, weil ich endlich zu mir gefunden habe. In ein paar Monaten werdet auch ihr das verstehen und begreifen, vor allem dann, wenn auch mein Mann das Glück gefunden hat, das er verdient hat. Ein Glück, das auch wirklich zu ihm passt und nicht nur auf halber Spur läuft, so wie es der Fall gewesen wäre, wenn ich bei ihm geblieben wäre. Er wird seinen Weg gehen, das weiß ich. Und ich gehe meinen. Irgendwie werden wir trotzdem immer verbunden sein, denn die Zeit mit ihm waren 14 sehr sehr wichtige Jahre in meinem Leben, die mich immer ausmachen werden. Aber jetzt beginnt ein neues Leben und ich weiß, dass ich dafür bereit bin.
Natürlich ist alles immer noch sehr schwer, gerade weil die vertraute Umgebung von einem Tag auf den anderen weggebrochen ist und ich gerade in meiner Krankheit an manchen Tagen schwer damit zu kämpfen habe. Trotz allem weiß ich, dass es richtig war. Und auch wenn ich noch immer sehr auf mich achten muss und darauf, mich nicht zu übernehmen, bin ich glücklich. Irgendwann kann und werde ich auch mein neues Glück mit der Welt teilen können, jetzt ist es mir aber besonders wichtig, dass ihr wisst, dass ich nicht aus einer Kurzschlussreaktion heraus gegangen bin und dass weder mein Mann der "Böse" in diesem Spiel ist noch ich. Es sind lediglich unsere Wege, die sich jetzt trennen, damit wir beide auf dem richtigen Weg weitergehen können.
Es geht mir gut. Und ich hoffe, irgendwann könnt ihr meine Entscheidung verstehen und das sehen, was ich schon jetzt sehe.
Bitte versteht, wenn ich zu eventuellen Kommentaren hier keine Antwort gebe, denn trotz allem sind diese Worte hier sehr aufwühlend für mich. Ich wollte nur, dass ihr meine Sicht der Dinge kennt und ich sie mit euch teilen kann, um somit eine der letzten Hürden zu nehmen.
Kapitel 15 – Zimmer 18
Albert Schweitzer hat einmal gesagt, dass der Zufall das Pseudonym ist, das Gott verwendet, wenn er inkognito bleiben will. Wenn ich zurückblicke, glaube ich, dass er sich in meiner Nähe besonders gern inkognito aufhält.
Vielleicht weil er weiß, dass ich zu aufmerksam durchs Leben laufe? Dass ich zu viele seiner Zeichen auf die Goldwaage legen würde?
Eines steht jedenfalls fest: wem auch immer das Pseudonym gehört, das hinter den Kurven-, Stopp- und Vorfahrtsschildern dieses Weges steht, ich bin ihm noch heute dankbar.
Ich bin sicher, dass es für uns alle einen Plan gibt. Vielleicht begann meiner am 24. Februar auf der dritten Stufe von unten. Vielleicht auch schon mit meinem ersten Augenaufschlag am 14. April 1981, zwei Minuten bevor Martin seine Augen öffnete.
Eine Antwort wird mir niemand geben, und vielleicht ist genau das das Beruhigende daran. Niemand weiß so etwas ganz genau, wir alle können nur ahnen und vertrauen. Und das tue ich, mehr denn je. Weil ich inzwischen weiß, dass es selbst in der dunkelsten Nacht irgendwo ein Licht gibt. Man darf nur nicht die Augen schließen, um sich der Dunkelheit anzupassen, dann wird uns der Weg früher oder später ganz allein zum beleuchteten Fenster führen. Bis selbst nach der längsten Nacht wieder der Tag anbricht und das Licht kein begrenztes Gut mehr ist.
Seit meiner Entscheidung, die eigenen vier Wände zu verlassen und zu Bastian zu ziehen, haben sich unsere Schicksale immer mehr ineinander verwoben. Aus dem Frühjahr wurde ein hitziger Sommer, der uns umso mehr bewusst machte, wie schön das Leben in der richtigen Zweisamkeit sein kann.
Zwei Seelen, zwei Leben – unwiderruflich miteinander verbunden.
Bastian gab sich große Mühe, mir den Halt zu geben, nach dem ich mich gesehnt hatte. Wobei Mühe das falsche Wort ist: Für ihn war es keine Mühe, sondern Selbstverständlichkeit.
In seinen Armen fühlte ich mich schön und bedingungslos geliebt. Vor allem in der Anfangszeit, in der ich noch viel mit der neuen Situation zu kämpfen hatte, weil ich oft zu euphorisch in mein neues Leben stürzen wollte und dann doch von
Weitere Kostenlose Bücher