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Das Leben Zimmer 18 und du

Das Leben Zimmer 18 und du

Titel: Das Leben Zimmer 18 und du Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nancy Salchow
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Tatsache, dass wir als Familie vor ihm wussten, dass er an dem Tumor sterben würde. Die Gewissheit, dass er sterben würde, war grausam genug, sie allerdings zu verschweigen, während er von der Zeit sprach, in der er wieder gesund sein würde, war geradezu lähmend.
    In gewisser Weise musste ich gerade in dieser Situation daran denken.
    Dir muss ich nichts von Zeichen erzählen, oder? Du weißt selbst nur zu genau, wie sehr man sich auf das kleinste Detail, den winzigsten Hinweis stürzt, wenn man vor einer Entscheidung steht.
    Als ich am frühen Morgen des 12. April wach im Bett lag, gingen mir die Gedanken an ein mögliches Zeichen durch den Kopf. Ich sehnte mich so nach Unterstützung, nach irgendeinem Wink von oben, der mir helfen würde, den Mut für den letzten großen Schritt zu finden. Denn ein Gedanke spielte noch eine Rolle: Das Wissen, dass mein 32. Geburtstag unmittelbar bevorstand. Die Vorstellung, am 14. April mit David unterwegs zu sein, womöglich noch in einem Restaurant oder bei einem unbeschwerten Spaziergang, raubte mir fast den Verstand.
    Wie sollte ich es mit meinem Gewissen vereinbaren, ihm an diesem Tag die heile Welt vorzugaukeln? Ich konnte nicht länger so tun, als wäre alles wie immer.
    Auf der Suche nach einem Zeichen schlich ich mich an diesem Morgen kurz vor sechs nach unten ins Badezimmer. David schlief noch immer, er hatte aber Frühschicht und ich wusste, dass sein Wecker bald klingeln würde.
    Im Badezimmer angekommen drehte ich instinktiv das Radio an und schwor mir in meiner Verzweiflung, das Lied, das gerade gespielt wird, als Zeichen für meine Entscheidung David gegenüber zu deuten.
    Und was spielte der Sender?
    „ Bye Bye Love” von den Everly Brothers.
    Und so verrückt es auch klingt, es war genau dieses Lied, das mir den entscheidenden Schubs gab.
    Plötzlich wusste ich, dass ich meine Entscheidung längst getroffen hatte und stark genug war, den letzten entscheidenden Schritt zu tun.
    Bastian wusste nichts von meinen Gedanken. Er dachte, dass ich mir Zeit lassen würde, um mir über alles klarzuwerden. Aber ich wusste von Anfang an, dass ich dieses Versteckspiel nicht lange durchhalten würde, selbst wenn es „nur“ ein Versteckspiel unserer Emotionen war, mal abgesehen von dem Abend zuvor, an dem wir zum ersten Mal eine Grenze überschritten hatten, die wir uns vorher selbst stillschweigend auferlegt hatten.
    Als ich zurück ins Schlafzimmer kam, weckte ich David.
    Er war schon halbwach gewesen, aber so richtig wurde er es erst, als er spürte, dass etwas nicht in Ordnung war.
    Ich hielt den Gedanken nicht aus, auch nur eine Minute länger zu warten, geschweige denn bis zum Abend.
    „ David“, sagte ich mit flatternder Stimme.
    „ Was ist?“ Mit fragendem Blick schaute er mich an.
    „ Ich wollte dir nur sagen, dass ich heute Nachmittag nicht mehr da bin, wenn du wieder nach Hause kommst.“
    Von da an sehe ich alles nur noch durch einen Schleier. Es tut noch immer weh, daran zu denken, wie er versuchte, mich zum Bleiben zu bewegen. Er versprach, sich zu ändern und redete immer wieder auf mich ein. Aber ich sagte ihm, dass ich meine Entscheidung getroffen hätte und sie nicht zurücknehmen würde.
    Ich versprach ihm, dass ich nichts aus dem Haus wollte und er dort wohnen bleiben könnte, wenn er es will. Und wir sprachen auch über Poldi, von dem er sofort sagte, dass er ihn behalten würde.
    Und ich sagte zu, denn auch ich fand, dass Poldi zu ihm gehörte. Ins Haus.
    Noch jetzt schmerzt es, daran zu denken. Es war immer mein Traum gewesen, dort zu leben. Und jetzt? Jetzt weiß ich, dass alles Materielle nichts nützt, wenn das Menschliche nicht stimmt. Ich weiß nicht, ob sich David in dem Moment bewusst wurde, dass ich meinen Schritt auch lange bevor ich Bastian kennenlernte, immer wieder angekündigt hatte, wenn er nicht endlich anfangen würde, mich etwas ernster zu nehmen. Nur dass ich ihn auch wirklich umsetzen würde, diesen letzten Schritt, hätte ich selbst nie für möglich gehalten.
    Natürlich fing er auch von Bastian an und fragte, ob er der Grund für meinen Auszug sei. Aber mir war wichtig klarzustellen, dass Bastian nur der Grund war, warum ich stark genug war, diesen Schritt zu gehen, nicht der Grund, diesen Schritt überhaupt gehen zu wollen. Nein, meine Unzufriedenheit trägt ihre Wurzel sehr viel tiefer, die Entscheidung hatte ich unterbewusst schon lange vor Bastian getroffen.
    Ich weiß nicht, ob es mir guttut, so intensiv über David

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