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Das leere Grab im Moor

Das leere Grab im Moor

Titel: Das leere Grab im Moor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Wolf
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ab,
eilten über die Wiese und fanden mit dem letzten Tageslicht gerade noch die
Stelle, wo der Wildwechsel anfing.
    Der Hinweg wurde noch
mühseliger als bei Tag. Tarzan führte den kleinen Trupp an. Katzenhaft lautlos
ging er mit sicherem Schritt über den Pfad. Hinter ihm schnaufte Klößchen. Er
tat sich schwer. Als er mit dem Fuß unter einer Brombeerranke hängen blieb,
fiel er der Länge nach auf die Nase.

    Fluchend rappelte er sich auf.
    „Pst!“ zischte Tarzan. „Ab
jetzt wird nur noch geflüstert. Wenn du so krakeelst, kannst du gleich ‘nen
Lautsprecher nehmen.“
    „Dieser Mistweg!“ wisperte
Klößchen. „Ich habe mich an Dornen gerissen.“
    „Bist doch gegen
Tetanus-Bazillen geimpft wie wir alle. Also reg’ dich nicht auf!“
    Sie pirschten weiter. Auch Karl
stolperte. Dabei verlor er seine Brille. Aber er fand sie sofort.
    Als sie das Leere Grab
erreichten, war es so dunkel, daß man nur noch auf zehn Schritt Entfernung
schemenhafte Umrisse erkannte. Wolken überzogen den Himmel. Von Mond und
Sternen keine Spur.
    Tarzan setzte sich aufs Leere
Grab.
    „Seht euch die Glühwürmchen
an!“ meinte er.
    „Das sind aber komische
Glühwürmchen“, flüsterte Klößchen.
    „Eben. Menschliche. Und was da
leuchtet, sind nicht die Lichter ihres Verstandes, sondern Taschenlampen.“
    Aus der Ferne sah es
tatsächlich wie vereinzelte Glühwürmchen aus. Hier und dort geisterten sie
durch die unwegsame Wildnis des Hochmoors: Schatzsucher, die von Geldgier
getrieben wurden.
    „Arme Irre!“ murmelte Karl.
    „Ob Stulla noch da ist?“ fragte
Klößchen.
    „Vielleicht zeltet er — unter
einer Zeitung“, meinte Tarzan. „Natürlich duscht er vor dem Einschlafen, indem
er mal in die Luft spuckt und sich schaudernd davon berieseln läßt. Das ist
dann genug Hygiene und reicht für eine Woche.“
    „Penner müßte man sein“,
seufzte Klößchen. „Keine Diät, kein Schulstreß, kein Sport, keine Uhr, keine
Verpflichtungen. Eigentlich leben die gar nicht so schlecht.“
    „Aber sie kriegen nie genügend
Schokolade. Als Lebensziel kommt das also für dich nicht in Frage.“
    Sie beobachteten, wie in der
Ferne immer mehr Lampen ausgeknipst wurden. Auch die Eifrigsten verloren
allmählich den Mut.
    Es war noch dunkler geworden.
Gerade richtig, um das Ziel anzupirschen. Lautlos machten die Jungs sich auf
den Weg.
    Man sah jetzt wirklich nicht
mehr viel. Klößchen und Karl vertrauten ganz auf Tarzans Führung, der mit dem
Instinkt eines Dschungelkriegers alle Hindernisse mied.
    Sie gingen hintereinander und
hatten eine Kette gebildet. Das heißt: Klößchen hakte einen Finger in Tarzans
Gürtel, behielt dadurch Fühlung mit ihm; Karl wiederum hielt sich an Klößchens
Gürtel fest. Aus einiger Entfernung mußte ihr Schattenriß wie ein Fabelwesen
erscheinen, ein dreihöckeriges: Voran der hochgewachsene Tarzan, dann Klößchen
— kurz und dick, hinter ihm die Bohnenstange Karl.
    „Ich glaube, ich brauche eine
Brille“, flüsterte Klößchen. „Du siehst jedes Sumpfloch und jeden Graben, Tarzan.
Ich sehe gerade noch deinen Rücken.“
    „Du mußt dich nicht auf deine
Augen verlassen“, erwiderte Tarzan, „sondern mit allen Sinnen hellwach sein.
Sumpf kannst du riechen. Und wenn der Boden weich oder abschüssig wird, spürst
du’s unter den Sohlen.“
    Tarzan blieb stehen,
orientierte sich. Dann entdeckte er gegen den etwas helleren Nachthimmel die
Baumgruppe.
    In der Nähe standen dornige
Sträucher, wie sie nachmittags gesehen hatten. Einer war nur etwa zehn Meter
von den Bäumen entfernt. Dahinter lag ein umgestürzter Stamm, morsch schon,
aber noch nicht faulig. Man konnte sich draufhocken.
    Nebeneinander setzten sie sich
hin.
    „Gespenstisch“, flüsterte
Klößchen. „Himmel, was man hier alles hört, nachts im Moor.“
    Er meinte die Tierstimmen. Wo
Wiese war, zirpten Grillen. Man hörte das Gequake der Frösche. Mit flappendem
Flügelschlag strich ein Nachtvogel vorbei. Neben einem kleinen Hügel in
Richtung Leeres Grab glühte ein phosphoreszierendes Augenpaar auf, verschwand,
erschien wieder, schien zu ihnen herüber zu starren und blieb wie angewurzelt
an der Stelle.
    „Da kann man Gänsehaut
kriegen“, wisperte Klößchen.
    „Zittere nicht so!“ flüsterte
Tarzan. „Der ganze Baumstamm wackelt schon. Wenn du so weitermachst, gibt’s ein
Erdbeben im Moor. Das da hinten ist nur ‘ne wildernde Katze. Wir... Pst! Da
kommt wer!“
    Obwohl es stockdunkel war,
duckten sie

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