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Das leere Grab im Moor

Das leere Grab im Moor

Titel: Das leere Grab im Moor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Wolf
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ist?“
fragte Gaby.
    Auf die Idee war noch keiner
gekommen.
    Tarzan schüttelte den Kopf.
„Dann schon eher unser Religionslehrer.“
    Alle lachten. Denn Herr
Schulte, der ihnen Religion unterrichtete, war der harmloseste Mensch, den sie
sich vorstellen konnten. Keiner Fliege tat der was — geschweige denn einem Reh.
    „Durst habe ich!“ stöhnte
Klößchen, während sie dem Wildwechsel folgten. „Himmel, habe ich einen Durst.
Wollen wir nicht zur Höllenmühle? Und ‘ne Limonade trinken?“
    Der Vorschlag fand Zustimmung.
Eine Weile später marschierten die vier Freunde in den schattigen Biergarten.
    Vorhin war kein Gast dagewesen.
Aber inzwischen hatte sich jemand eingefunden: Ein derb aussehender Mann in
Gummistiefeln und grünem Overall. Er hatte die Ärmel hochgerollt und zeigte
muskulöse, dicht behaarte Arme. Das Gesicht lag im Schatten einer Schildmütze,
wirkte braungebrannt und verwittert wie altes Leder. Neben sich hatte er einen
offenen Rucksack, der mit Pflanzen vollgestopft war. Aber wie Karnickelfutter
sah das nicht aus. Der Mann trank Bier. Und eben wurde ihm das nächste serviert
— von Lisa Moll.
    Die vier Freunde kannten Lisa.
Sie war zwar schon 16 oder 17, hatte aber eine Zeitlang die selbe Schule
besucht. Sie war bis zur 11. Klasse gekommen und eine gute Schülerin gewesen.
Aber mit dem plötzlichen Tod ihres Vaters schwand jede Aussicht, mal das Abitur
zu machen und zu studieren. Lisas Mutter war krank. Der Vater hatte keinen
Besitz hinterlassen, und weil Lisas jüngere Geschwister — vier insgesamt —
nicht in Not geraten sollten, verschob das Mädchen seine Berufsausbildung auf
unbestimmte Zeit; sie arbeitete seit einem Jahr als Serviererin in
verschiedenen Lokalen. Weil man — wie sie den vier Freunden mal erzählt hatte —
dabei sehr gut verdiente. Freilich, von Dauer sollte das nicht sein. Lisa
wollte Kinderkrankenschwester werden.
    „Bitte sehr, Herr Funke“, sagte
sie und stellte dem Mann mit dem Ledergesicht das Bier hin.

    „Danke, mein Schatz!“ sagte
Funke mit heiserer Stimme. Gleichzeitig beugte er sich vor und versuchte, Lisa
in den Po zu kneifen.
    Aber das Mädchen wich aus.
Beinahe wäre dabei das Bier umgekippt. Ohne den Mann noch eines Blickes zu
würdigen, kam sie an den Tisch, an den sich die vier Freunde gesetzt hatten.
    „Grüß’ euch!“ lächelte sie.
Leise sagte sie: „Ein widerlicher Kerl, dieser Funke. Jedesmal belästigt er
mich. Ich wünschte, er käme nicht dauernd. Aber Tag für Tag ist er hier.
Sammelt Kräuter im Moor. Kräuter für Tees und so. Für Gesundheitstees. Selbst
trinkt er die bestimmt nicht. Für ihn gibt’s nur Bier.“
    „Er sieht schon so mies aus“,
erwiderte Tarzan ebenso leise. „Tritt ihn doch vors Schienbein, wenn er dich
belästigt.“
    „Dann bin ich meinen Job los“,
seufzte Lisa.
    Sie sah nett aus, war aber
etwas pummelig, hatte braune Kulleraugen und rotblondes Haar. Es war am
Hinterkopf zu einem lustigen Nest zusammengedreht.
    „Und“, fragte sie laut, „was
darf ich den verehrten Herrschaften bringen?“
    „Champagner für mich“, sagte
Klößchen, „aber mindestens eine Kiste. Die andern trinken Wasser.“
    „In Ordnung. Also vier Cola.
Stimmt’s?“
    Während sie das Bestellte
holte, meinte Karl: „Von der Absturzstelle haben wir ja nun nicht viel gesehen.
Nischt, würde ich sagen. Kein Fitzelchen Blech, kein Stück Triebwerk, nicht
einen Glassplitter. Aber falls ich mich richtig erinnere, kamen wir deswegen
her.“
    „Durch die Absperrung wären wir
doch nicht durchgekommen“, sagte Klößchen. „Außerdem haben wir uns vertan. Die
Absturzstelle ist viel zu weit vom Leeren Grab entfernt. Da hat auch dein
Feldstecher nichts genützt.“
    „Wir haben Oskar vergessen“,
sagte Gaby. „Er hat mehr Durst als wir.“
    „Wird gemacht“, sagte Tarzan.
Er nahm einen der Aschenbecher vom Tisch, stand auf und ging Lisa entgegen, die
eben die Limonaden brachte. „Ein bißchen Wasser für Oskar“, meinte er, „ich
hol’s aus der Toilette.“
    „Ist genauso frisch wie das aus
der Küche“, erwiderte sie lachend.
    In der Herrentoilette spülte
Tarzan den Aschenbecher unter dem Wasserhahn sauber. Gefüllt trug er ihn
hinaus. An der Tür traf er auf den Kräutersammler Funke. Um ein Haar hätte
Funke ihn gerempelt. Tarzan konnte gerade noch ausweichen, ohne das Wasser zu
verschütten.
    Kein Wort der Entschuldigung
oder des Bedauerns, Funke ging einfach weiter. An seinem Gürtel, den er über
dem Overall

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