Das Letzte Einhorn und Zwei Herzen
einer Kiste und zauberte. Das Einhorn sah ihm sehr aufmerksam zu, zweifelte in zunehmendem Maße – nicht an seiner Aufrichtigkeit, sondern an seiner Geschicklichkeit. Aus einem Schweinsohr machte er ein ganzes Schwein, aus einem Glas Wasser eine Handvoll Wasser, aus einer Pikfünf eine Piksieben, und ein Karnickel verwandelte er in einen Goldfisch, der augenblicklich ertrank. Nach jedem missglückten Trick warf er einen raschen Blick zum Einhorn hinüber, und seine Augen sagten: »Oh, aber wenigstens du weißt, was ich wirklich wollte.« Einmal verwandelte er eine verwelkte Rose in ein Samenkorn. Das gefiel dem Einhorn, selbst als es sich heute als Rettichsamen entpuppte.
Die Vorstellung begann. Rukh führte die Besucher wieder von einem armen Fabeltier zum nächsten. Der Drachen loderte, Zerberus heulte die Hölle zu Hilfe, und der Satyr umbuhlte die Frauen, bis sie weinten. Beim Anblick des Martichoras verdrehten sie die Augen und zeigten auf seine gelben Fangzähne und seinen fürchterlichen Stachel; verstummten bei der Vorstellung der Midgardschlange und begafften Arachnes neues Netz, das wie ein Fischernetz aussah, mit einem triefenden Mond darin. Alle hielten es für ein wirkliches Netz, aber nur die Spinne glaubte, es berge den wirklichen Mond.
Dieses Mal erzählte Rukh die Geschichte vom König Phineus und den Argonauten nicht, er trieb vielmehr die Zuschauer schleunigst am Käfig der Harpyie vorüber, murmelte gerade noch ihren Namen und seine Bedeutung. Die Harpyie lächelte. Nur das Einhorn sah sie lächeln, und es wäre froh gewesen, wenn es woanders hingeschaut hätte.
Als die Besucher vor seinem Käfig standen und schweigend hereinstarrten, da dachte das Einhorn schmerzlich: ›Ihre Augen sind so traurig. Um wie viel trauriger wären sie erst, wenn meine Verzauberung abfiele und sie plötzlich eine ganz gewöhnliche Stute anstarrten? Die Hexe hat recht – keiner von ihnen würde mich erkennen.‹ Aber dann hörte es eine leise Stimme in sich, eine Stimme, die wie die Schmendricks des Zauberers klang: ›Ihre Augen sind so traurig!‹
Und als Rukh trompetete: »Der absolute Höhepunkt!«, als die schwarzen Vorhänge zurückglitten und Eli enthüllten, die in der Kälte und Dunkelheit vor sich hinmurmelte, da fühlte das Einhorn die gleiche folternde Furcht vor dem Altern, welche die Zuschauer angstvoll fliehen ließ – obwohl es wusste, dass es nur Mammy Fortuna in einem Käfig war. Es dachte: ›Die Hexe weiß mehr, als sie zu wissen glaubt.‹
Die Nacht brach herein; vielleicht hatte die Harpyie sie zur Eile gedrängt. Die Sonne sank in schmutzige Wolken, wie ein Stein im Meer versinkt, und mit genauso viel Aussicht, wieder heraufzukommen. Weder Mond noch Sterne standen am Himmel. Mammy Fortuna machte ihren Rundgang und kontrollierte die Käfige. Die Harpyie rührte sich nicht, als sie in ihre Nähe kam. Die Alte blieb lange vor dem Käfig stehen und starrte hinein.
»Noch nicht«, murmelte sie schließlich, »noch nicht.« Ihre Stimme klang erschöpft und zweifelnd. Sie sah kurz nach dem Einhorn, ihre Augen flackerten gelb in der fettigen Finsternis. »Wieder ein Tag«, seufzte sie; dann ging sie weiter.
Totenstille herrschte in der Mitternachtsmenagerie. Bis auf die Spinne, die webte, und die Harpyie, die wartete, schliefen alle Tiere. Knirschend kroch die Nacht immer näher heran, so dicht, dass das Einhorn erwartete, sie bräche weit auf und enthüllte – noch mehr Gitter. ›Wo bleibt der Zauber?‹
Endlich kam er durch die Stille gehastet; er tänzelte und schwänzelte wie eine Katze in der Kälte, stolperte über jeden Schatten. Er verneigte sich schwungvoll und sagte stolz: »Schmendrick steht zu Diensten.« Das Einhorn hörte im Käfig neben sich das metallene Klirren.
»Ich glaube, wir haben sehr wenig Zeit«, sagte es. »Kannst du mich wirklich befreien?«
Der hagere Mann lächelte und wurde bis in die Fingerspitzen hinein fröhlich. »Ich habe dir gesagt, dass die Hexe drei große Fehler gemacht hat. Deine Gefangennahme war der letzte, und das Einfangen der Harpyie ihr vorletzter, denn ihr beide seid Wirklichkeit. Mammy Fortuna kann euch so wenig ihren Willen aufzwingen, wie sie den Winter auch nur um einen einzigen Tag verlängern kann. Aber mich mit einem Scharlatan, wie sie einer ist, zu verwechseln, das war ihr erster und entscheidender Fehler! Denn auch ich bin Wirklichkeit, ich bin Schmendrick der Zauberer, der letzte der feurigen Swamis – und ich bin älter, als ich
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