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Das letzte Einhorn

Das letzte Einhorn

Titel: Das letzte Einhorn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter S. Beagle
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sicherem Schatten hervor: »Sing uns lieber ein richtiges Lied, Willie! Sing uns eins über Robin Hood!«
    »Wer war das?« Cullys gelockertes Schwert klirrte in der Scheide, als er hin und her spähte. Sein Gesicht sah plötzlich so blass und schlaff wie eine ausgepresste Zitrone aus.
    »Ich«, sagte Molly Grue, die es nicht gewesen war, »Die Männer haben diese Balladen satt, die deine Tapferkeit beweihräuchern, Hauptmann Liebling. Auch wenn du sie alle selbst geschrieben hast.«
    Cully zuckte zusammen, warf einen verstohlenen Blick auf Schmendrick. »Sie gelten doch trotzdem als Volkslieder, Herr Child?« fragte er mit leiser, besorgter Stimme. »Schließlich …«
    »Ich bin nicht Herr Child«, sagte Schmendrick. »Ich bin es wirklich nicht.«
    »Man darf den einfachen Leuten doch nicht Ereignisse von geradezu epischem Ausmaß überlassen. Sie bringen alles durcheinander.«
    Ein ältlicher Spitzbube in zerschlissenem Samt hinkte heran. »Wenn wir schon Volkslieder hören müssen, Captain, und ich bin sicher, dass wir das müssen, dann möchten wir wenigstens wirkliche Lieder über wirkliche Räuber hören, und nicht über das verlogene Leben, das wir führen. Ohne Beleidigung, Captain, aber in Wirklichkeit sind wir nicht fröhlich, alles was recht ist …«
    »Ich bin vierundzwanzig Stunden am Tag fröhlich, Dick Fancy«, sagte Cully kühl. »Das steht fest!«
    »Und es stimmt nicht, dass wir die Reichen berauben und die Armen beschenken«, fuhr Dick Fancy eilig fort. »Wir berauben die Armen, weil die sich nicht wehren können – wenigstens die meisten –, und die Reichen berauben uns, denn sie könnten uns an einem Tag den Garaus machen. Wir lauern nicht dem habgierigen dicken Bürgermeister auf, wir zahlen ihm jeden Monat unseren Tribut, damit er uns in Ruhe lässt. Wir entführen nie einen hochnäsigen Bischof, halten keinen bei uns im Wald gefangen, bewirten und unterhalten ihn gut; denn Molly hat kein ordentliches Geschirr. Im übrigen wären wir für einen Bischof auch keine sehr unterhaltsame Gesellschaft. Wenn wir verkleidet auf einen Jahrmarkt gehen, gewinnen wir nie beim Bogenschießen oder beim Stockfechten. Man macht uns ein paar nette Komplimente zu unseren Verkleidungen, aber das ist auch alles.«
    »Ich hab’ mal mit einem Wandteppich bei einem Wettbewerb mitgemacht«, erinnerte sich Molly. »Kam auf den vierten Platz, oder auf den fünften. Ein Ritter auf der Wache – in jenem Jahr wurden nichts als Ritter auf der Wache eingereicht.« Plötzlich rieb sie sich mit rauen Knöcheln die Augen. »Der Teufel soll dich holen, Cully!«
    »So!« schrie er verzweifelt. »Ist es meine Schuld, dass du deine Stickerei vernachlässigt hast? Als du dir einen Mann eingefangen hattest, da hast du alle deine guten Eigenschaften fahren lassen. Du singst nicht mehr, du nähst nicht mehr, es ist schon Jahre her, dass du zum letzten Mal ein Manuskript ausmaltest – und was ist aus der Viola da Gamba geworden, die ich dir geschenkt habe?« Er wandte sich an Schmendrick: »Wären wir verheiratet, könnte sie sich auch nicht schlimmer gehen lassen.« Der Zauberer nickte ein ganz kleines bisschen und sah woanders hin. »Und was deinen Kampf für das Gute angeht und deinen Einsatz für die Bürgerrechte und ähnliche Sachen«, sagte Dick Fancy, »so wär’ das gar nicht so schlecht. Ich selber bin zwar nicht vom Kreuzfahrerschlag – manche sind’s, und manche sind’s nicht. Aber warum, zum Teufel, müssen wir diese Lieder singen, in denen wir Lincolngrün tragen und den Unterdrückten helfen. Wir tun’s nicht, Cully, wir verraten sie der Belohnung wegen! Und die Lieder sind bloß lächerlich, und das ist die Wahrheit.«
    Captain Cully kreuzte die Arme vor der Brust, überhörte das zustimmende Knurren der Räuber. »Sing die Lieder, Willie.«
    »Das werd’ ich nicht.« Der Spielmann rührte keinen Finger. »Und überhaupt hast du nie mit meinen Brüdern um einen Stein gekämpft, Cully!« sagte er. »Du hast ihnen einen Brief geschickt, den du nicht unterschrieben …«
    Cully hob drohend den Arm, Klingen blitzten zwischen den Männern auf; es sah aus, als bliese jemand in einen Haufen glosender Kohlen. Da trat Schmendrick mit einem gewichtigen Lächeln vor. »Erlaubt mir, einen anderen Vorschlag zu machen. Darf sich euer Gast Kost und Logis verdienen, indem er euch ein wenig unterhält?, Zwar kann ich weder spielen noch singen, doch besitze ich andere Talente, vielleicht habt ihr noch nie dergleichen

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