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Das letzte Experiment

Das letzte Experiment

Titel: Das letzte Experiment Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philip Kerr
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Atelier eines großen Malers denken, mit einem Auge für Schönheit. Ich bedauerte jedenfalls, nicht selbst zu malen. Ihre Augen waren smaragdgrün mit einem Tick Lapislazuli, und ihr Blick war zurückhaltend und zugleich wach und intelligent – als stünde sie im Begriff, den gegnerischen König ins Matt zu stellen, ohne dass ihr tumbes Gegenüber etwas von der drohenden Gefahr ahnte.
    Wir alle gaben unser Bestes, zivilisiert und höflich aufzutreten. Anna, die so viel unerwartete weibliche Konkurrenz anfänglich einbisschen irritierte, gelang es irgendwie, noch schöner auszusehen als sonst. Leider fiel es schwer, diese friedfertige Atmosphäre aufrechtzuerhalten, als der dritte Gast eintraf: Otto Skorzeny. Vor allem deshalb, weil er bereits betrunken war.
    «Was machen Sie denn hier?», fragte er, als er mich sah.
    «Zu Abend essen, hoffe ich.»
    Skorzeny legte einen schweren Arm um meine Schulter. Es fühlte sich an wie eine Eisenstange. «Dieser Bursche ist in Ordnung, Hans», sagte er zu Kammler. «Er ist mein Vertrauter. Er hilft mir zu verhindern, dass diese Cretins jemals das Geld der Reichsbank in die gierigen Finger kriegen.»
    Anna starrte mich an.
    «Wie geht es Ihrer Hand, Otto?», fragte ich, um das Thema zu wechseln.
    Skorzeny musterte seine mächtige Pranke. Die Wunden, die er sich zugezogen hatte, als er das Bild von King George in meinem Krankenhauszimmer von der Wand geboxt hatte, waren noch nicht ganz verheilt. Er hatte völlig vergessen, was passiert war. «Meine Hand? Ah. Ja, jetzt erinnere ich mich wieder. Was macht Ihr eingewachsener Zehennagel, oder was hatten Sie noch gleich?»
    «Dem geht es gut», sagte Anna und hakte sich bei mir unter.
    «Und wer sind Sie?», wollte er von ihr wissen.
    «Seine Pflegerin. Nur, dass er es irgendwie selbst ganz gut schafft, auf sich aufzupassen. Ich frage mich, warum ich überhaupt mitgekommen bin.»
    «Kennen Sie beide sich schon länger?», wollte Frau Kammler wissen.
    «Sie sind miteinander verlobt», sagte Heinrich Grund. «Sie wollen heiraten.»
    «Tatsächlich?», fragte Frau Kammler.
    «Es ist zu seinem Besten», sagte Anna.
    «Haben Sie vielleicht Freundinnen, die genauso gut aussehen wie Sie?», wollte Skorzeny von ihr wissen.
    «Nein. Aber Sie haben doch sicher selbst genug, wie mir scheint?»
    Skorzeny sah mich an, dann Kammler und Grund. «Sie haben recht», sagte er dann. «Meine alten Kameraden.»
    Anna starrte mich an. Ich hoffte, dass sie die Pistole nicht am Leib trug. Wie die Dinge sich entwickelten, hielt ich es für möglich, dass sie jeden hier erschoss, einschließlich mir.
    «Aber ich brauche eine gute Frau!», sagte Skorzeny.
    «Was ist mit Evita?», fragte ich. «Wie geht es mit ihr voran?»
    Skorzeny schnitt eine Grimasse. «Keine Chance. Dieses Miststück.»
    «Otto, bitte!», mahnte Frau Kammler. «Es sitzen Kinder am Tisch.»
    Skorzeny sah zu Mercedes und grinste in unverhohlener Bewunderung. Sie erwiderte sein Grinsen. «Mercedes?», sagte er. «Sie ist wohl kaum noch ein Kind.»
    «Danke, Otto», sagte Mercedes. «Wenigstens einer hier im Raum, der mich wie eine Erwachsene behandelt. Abgesehen davon hat er recht, Papa. Eva Perón
ist
ein Miststück.»
    «Das reicht jetzt, Mercedes!», sagte ihre Mutter und steckte sich eine Zigarette in einer Spitze an, die länger war als ihr Unterarm. Leise schimpfend nahm sie Skorzeny beiseite und ging mit ihm zum gemütlichsten Sofa im Raum, wo die beiden sich zusammen hinsetzten. Offensichtlich hatte sie Erfahrung mit seinen Auftritten, denn keine Minute später war der Held von Gran Sasso eingeschlafen und schnarchte laut.
    Wir aßen ohne ihn zu Abend.
    Wie versprochen war das von Görings Küchenchef zubereitete Essen exzellent. Und sehr deutsch. Ich aß Dinge, die ich seit dem Ausbruch des Krieges nicht mehr gekostet hatte. Selbst Anna war beeindruckt.
    «Sagen Sie Ihrem Küchenchef, dass ich ihn liebe», sagte sie charmant wie nie zuvor.
    Kammler nahm die Hand seiner Frau. «Und ich liebe meine Frau», sagte er und führte ihre lange, schlanke Hand an seine Lippen.
    Sie erwiderte sein Lächeln und nahm ihrerseits seine Hand an ihren Mund, um sie zu liebkosen wie ein kleines Schoßtier.
    «Verraten Sie mir eins, Anna», sagte Kammler. «Haben Sie je zwei Menschen gesehen, die so ineinander verliebt waren wie wir?»
    «Nein. Kann ich wirklich nicht sagen.» Anna lächelte höflich und sah mich an. «Ich hoffe sehr, dass ich so glücklich werde wie Sie beide.»
    «Ich kann Ihnen gar

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