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Das letzte Experiment

Das letzte Experiment

Titel: Das letzte Experiment Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philip Kerr
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behalten. Er beginnt Anstoß zu nehmen. Und keine Geständnisse, wer oder was du bist. Das wäre unser Ende, verstehst du?» Ich sah mich suchend im Zimmer um. «Wo ist die Pistole?»
    «Versteckt.»
    «Versteckt? Wo?»
    Sie schüttelte den Kopf.
    «Hast du immer noch vor, ihn zu erschießen?»
    «Ich weiß, er müsste viel mehr leiden. Erschießen geht zu schnell. Gas wäre besser. Vielleicht kann ich den Ofen in der Küche anlassen, bevor wir heute Nacht zu Bett gehen.»
    «Anna, bitte. Hör mir zu. Diese Leute sind äußerst gefährlich. Heinrich trägt selbst jetzt noch eine Pistole. Und er ist ein Mann vom Fach. Er schießt dir den Kopf von den Schultern, noch bevor du den Hahn der Smith & Wesson gespannt hast.»
    «Was meinst du mit ‹Hahn gespannt›?»
    Ich schüttelte den Kopf. «Siehst du? Du weißt nicht einmal, wie man schießt.»
    «Du könntest mir zeigen, wie es geht.»
    «Diese Toten im Lager – es könnten alle möglichen Leute sein.»
    «Aber was würde das ändern? Außerdem wissen wir beide, was dort passiert ist. Du hast es selbst gesagt. Es war ein Lager, das auf Anordnung des Außenministeriums errichtet wurde. Dort wurden ausländische Flüchtlinge eingesperrt? Und der Schotte, Melville, er hat doch von der Direktive zwölf erzählt. Er liefert Stacheldraht aneinen ehemaligen S S-General namens Kammler.
Direktive zwölf
, Bernie! Das ist ja wohl die nächste Stufe nach Direktive elf, meinst du nicht?» Sie holte tief Luft. «Außerdem hast du mir heute Morgen, bevor wir aus Tucumán losgefahren sind, selbst erzählt, dass Kammler all die großen Lager gebaut hat. Auschwitz. Birkenau. Treblinka. Du musst doch zugeben, dass man ihn allein deshalb erschießen sollte.»
    «Vielleicht. Ja, natürlich. Aber ich kann dir verraten, Kammler hier und heute zu erschießen, ist keine Lösung. Es muss einen anderen Weg geben.»
    «Ich wüsste nicht, wie wir ihn in unsere Gewalt bekommen könnten. Nicht hier in Argentinien. Du etwa?»
    Ich schüttelte den Kopf.
    «Dann ist es das Beste, ihn zu erschießen.»
    Ich grinste. «Siehst du, was ich meine? Es gibt keine ausgesprochenen Mörder. Nur Klempner und Verkäufer und Ladenbesitzer und Anwälte, die jemand anderen töten. Gewöhnliche Leute. Ganz gewöhnliche Leute. Menschen wie du, Anna.»
    «Das ist kein Mord. Es ist eine Exekution.»
    «Meinst du nicht, dass diese S S-Leute sich genau das Gleiche gesagt haben, als sie anfingen, in Gruben voller Juden zu feuern?»
    «Ich weiß nur eins – er darf nicht ungeschoren davonkommen mit dem, was er getan hat!»
    «Anna, ich verspreche dir, dass ich mir etwas überlege. Ich bitte dich nur, nichts Überstürztes zu tun. Einverstanden?»
    Sie schwieg. Ich nahm ihre Hand, doch sie riss sich von mir los.
    «Einverstanden?», fragte ich noch einmal.
    Sie stieß einen langgezogenen Seufzer aus. «Einverstanden.»
     
    Ein wenig später brachte uns das Dienstmädchen Abendgarderobe. Ein schwarzes, perlenbesetztes Abendkleid, in dem Anna einfach atemberaubend aussah, sowie einen Smoking mit Hemd und Fliege, der mir seltsamerweise passte wie angegossen.
    «Was soll man sagen – wir sehen beinahe aus wie zivilisierte Menschen», sagte Anna, während sie meine Fliege richtete. Auf der Kommode stand ein Parfum. Sie trug es auf. «Riecht wie tote Blumen», stellte sie fest.
    «Mir gefällt der Duft», sagte ich.
    «Das passt. Wahrscheinlich riecht für einen Nazi alles Tote gut.»
    «Ich wünschte, du würdest mit diesen sarkastischen Bemerkungen aufhören, Anna.»
    «Ich dachte eigentlich, dass es genau darauf ankommt, Gunther. Damit sie denken, du wärst einer von ihnen und wir unsere Haut retten können.» Sie erhob sich und betrachtete sich kurz in dem mannshohen Standspiegel. «Wie dem auch sei, ich bin zu allem bereit. Vielleicht auch zu einer Exekution – oder zwei.»
    Wir gingen nach unten zum Essen. Neben Kammler, Grund, Anna und mir gab es drei weitere Gäste.
    «Dies sind meine Frau Pilar und meine Tochter Mercedes», stellte Kammler die beiden vor.
    «Willkommen in Wiederhold», sagte Frau Kammler.
    Sie war groß, schlank und elegant, hatte perfekt geschwungene Augenbrauen, die aussahen wie von Giotto gemalt, und die gelockten blonden Haare auf eine Seite des Kopfes gekämmt. Frau Kammlers Tochter war nicht weniger schön und keine Spur weniger charmant. Sie sah aus wie sechzehn, war aber möglicherweise jünger. Ihr Haar war mehr Tizian als rot, und bei ihrem Anblick musste ich an die samtbezogene Couch im

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