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Das letzte Experiment

Das letzte Experiment

Titel: Das letzte Experiment Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philip Kerr
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nicht sagen, wie glücklich mich diese Frau macht», sagte Kammler. «Ich glaube, ich würde sterben, wenn sie mich verließe. Ja, ich würde sterben. Ich würde sterben ohne sie.»
    «Verraten Sie uns doch, Anna, wann Sie und Bernie vorhaben zu heiraten?», fragte Grund.
    «Das kommt ganz darauf an», erwiderte sie und schenkte mir ihr süßlichstes Lächeln.
    «Worauf?», wollte Heinrich Grund wissen.
    «Er muss zuerst eine kleine Aufgabe lösen, die ich ihm gestellt habe.»
    «Dann ist er ein wahrer Ritter!», sagte Mercedes. «Wie romantisch! Genau wie Parsifal.»
    «Nein, eigentlich eher wie Don Quixote», sagte Anna, indem sie meine Hand nahm und neckisch drückte. «Mein Ritter ist ein wenig älter als die meisten ritterlichen Laufburschen. Stimmt’s nicht, Liebling?»
    Grund lachte. «Ich mag sie, Bernie. Ich mag sie sogar sehr», sagte er. «Aber sie ist viel zu gerissen für dich.»
    «Ich hoffe nicht, Heinrich.»
    «Und was ist das für eine Aufgabe?», wollte Mercedes wissen.
    «Er soll für mich einen Drachen erschlagen», sagte Anna mit schelmischem Blick. «Sozusagen.»
    Als das Abendessen zu Ende war, kehrten wir ins Wohnzimmerzurück und stellten zur Erleichterung aller fest, dass Skorzeny in der Zwischenzeit gegangen war. Kurze Zeit später verabschiedeten sich Mercedes und ihre Mutter. Und auch Anna sagte allen liebenswürdig gute Nacht, und stieg die Treppe hinauf. Ich atmete erleichtert auf, dass wir den Abend ohne Schießerei und Blutbad überstanden hatten. Ich sagte, dass ich ein wenig frische Luft nötig hätte, und nachdem ich eine der vom Hausherrn angebotenen Zigarren angenommen hatte, ging ich nach draußen.
    Ein nächtlicher Sternenhimmel weckt immer mein Heimweh. Der Himmel über den Sierras war so gigantisch, wie ich ihn noch nie zuvor gesehen hatte, und bei dem Anblick fühlte ich mich kleiner als der winzigste silberne Punkt an diesem riesigen schwarzen Gewölbe. Vielleicht war das der Grund für seine Existenz. Vielleicht war er eigens geschaffen, damit wir uns klein fühlten. Damit wir aufhörten zu denken, irgendeiner von uns könnte ein wichtiges Mitglied einer Herrenrasse sein und dergleichen Unsinn mehr.
    Nach einem Augenblick hörte ich, wie ein Streichholz angerissen wurde, und als ich mich umdrehte, sah ich Heinrich Grund, der sich eine Zigarette ansteckte. Er starrte hinauf in den Himmel, nahm einen tiefen Zug an der Zigarette und seufzte. «Du bist ein echter Glückspilz, Bernie. Sie ist sehr entzückend. Und sie hält dich ganz schön auf Trab, habe ich recht?»
    «Hast du.»
    «Denkst du manchmal noch an das Mädchen in Berlin? Das verkrüppelte Mädchen, das wir 1932 in Friedrichshain gefunden haben? Anita Schwarz hieß sie, oder?»
    «Ja. Ja, ich denke noch manchmal an sie.»
    «Erinnerst du dich an die Diskussionen, die wir ihretwegen hatten? Ich meinte, es wäre das Beste, wenn Leute wie sie tot wären, und du meintest, es wäre falsch, sie aus Mitleid zu töten?» Er zuckte die Schultern. «Irgendwas in der Art jedenfalls. Tatsache ist, Bernie: Ich hatte keine Ahnung, wovon ich geredet habe. Nicht die geringste. So etwas ist vielleicht leicht gesagt. Es zu tun ist etwas ganzanderes» Er schwieg für einen Moment. Dann fragte er: «Meinst du, es gibt einen Gott, Bernie?»
    «Nein. Wie könnte es einen geben? Gäbe es einen, wärst du jetzt nicht hier. Keiner von uns wäre hier.»
    Grund nickte. «Ich war froh, als wir den Krieg verloren hatten», sagte er. «Ich nehme an, das überrascht dich, aber ich war heilfroh, als es vorbei war. Das Töten, meine ich. Als wir hierherkamen, erschien es mir wie ein neuer Anfang.» Er schüttelte traurig den Kopf, als lastete ein Gewicht auf seinen Schultern. «Aber es war kein neuer Anfang.»
    Nachdem er beinahe eine Minute lang geschwiegen hatte, fragte ich: «Möchtest du mir etwas sagen, Heinrich?»
    Er stieß einen unsicheren Seufzer aus, dann schüttelte er den Kopf. «Worte helfen nicht, Bernie. Sie machen es nur noch schlimmer. Für mich jedenfalls. Ich habe nicht Kammlers Kraft. Seine absolute Gewissheit.»
    «Ich nehme an, es hilft, dass er seine Familie um sich hat», sagte ich, weil ich das Thema wechseln wollte. «Wie lange ist sie eigentlich schon hier?»
    «Ich weiß es nicht. Ein paar Monate, schätze ich. Für ihn lebt Hitler noch, hier drin.» Grund schlug sich gegen die Brust. «Wahrscheinlich wird er für immer weiterleben. Für ihn und für viele andere Deutsche auch. Aber nicht für mich. Nicht mehr.»
    Es

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