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Das letzte Experiment

Das letzte Experiment

Titel: Das letzte Experiment Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philip Kerr
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fange an zu denken, wenn Leute mir Geld anbieten. Ich denke eine ganze Menge mehr, wenn es eine ganze Menge Geld ist.
    «Haben Sie Kinder, Herr Hausner?»
    «Nein, Herr Baron.»
    «Wenn Sie Kinder hätten, würden Sie wissen, dass Geld bedeutungslos ist, wenn es um jemanden geht, den Sie lieben.»
    «Ich muss Ihnen das glauben, Herr Baron.»
    «Sie müssen mir überhaupt nichts glauben, Herr Hausner. Ich lasse meine Anwälte ein Schriftstück aufsetzen, in dem die Belohnung vertraglich vereinbart wird.»
    Das hatte ich nicht gemeint, doch ich widersprach ihm nicht. Stattdessen sah ich mich ein letztes Mal im Zimmer um.
    «Was ist mit dem Vogel passiert, der in diesem Käfig war?»
    «Vogel?»
    «In diesem Käfig dort.» Ich deutete auf den pagodenförmigen Käfig.
    Von Bader starrte den Käfig an, als hätte er ihn noch nie zuvor gesehen. «Ah, der. Er ist gestorben.»
    «War sie traurig deswegen?»
    «Ja, selbstverständlich war sie traurig. Aber ich sehe nicht, was ihr Verschwinden mit einem Vogel zu tun haben soll.»
    «Sie wären überrascht, Herr Baron, was eine Vierzehnjährige in ihrer Trauer alles anrichten kann.»
    Er schüttelte den Kopf. «Ich habe eine vierzehnjährige Tochter,Herr Hausner. Sie nicht. Bei allem Respekt, aber ich denke, ich kann sagen, dass ich besser Bescheid weiß über vierzehnjährige Mädchen als Sie.»
    «Hat sie das Tier im Garten begraben?»
    «Ich weiß es wirklich nicht.»
    «Vielleicht Ihre Frau?»
    «Mir wäre lieber, Sie würden meine Frau nicht danach fragen, Herr Hausner. Sie ist ohnehin sehr aufgebracht. Sie gibt sich die Schuld für den Tod des Vogels. Und sie sucht bereits nach Gründen, um sich auch für das Verschwinden unserer Tochter die Schuld zu geben. Jede Anspielung, dass diese beiden Ereignisse etwas miteinander zu tun haben könnten, würde meiner Frau nur unnötig zusetzen. Ich bin sicher, Sie verstehen das.»
    Es konnte die Wahrheit sein. Vielleicht aber auch nicht. Weil er mir gerade ein mehr als großzügiges Angebot gemacht hatte, war ich bereit, den Vogel zunächst einmal auf sich beruhen zu lassen. Manchmal muss man den Vogel in der Hand loslassen, um an das Geld auf dem Dach zu kommen. Das nennt man dann Politik.
    Wir kehrten ins Wohnzimmer zurück, wo die Baronin wieder angefangen hatte zu weinen. Ich hatte Frauen auf der ganzen Welt weinen sehen. Tränen gehörten zu meiner Arbeit wie Schlagstock und Handschellen. An der Ostfront 1941 hatte ich Frauen gesehen, die für ihr Weinen olympisches Gold verdient hätten. Sherlock Holmes pflegte Zigarrenasche zu studieren und schrieb sogar eine Monographie über das Thema. Mein Steckenpferd waren weinende Frauen. Ich wusste beispielsweise, dass es sich nicht auszahlt, eine weinende Frau zu nah an sich herankommen zu lassen. Es kostet einen mindestens ein sauberes Hemd. Wie dem auch sei, Tränen sind heilig, und man begegnet ihnen mit Respekt. Aus diesem Grund ließen wir die Baronin allein.
     
    Nachdem wir das Haus der von Baders verlassen hatten, bestand ich darauf, mit dem Colonel zusammen den Friedhof von Recoleta zubesuchen. Schließlich waren wir bereits in der Nähe, und ich wollte das Grab sehen, das Fabienne besucht hatte, bevor sie verschwand.
    Genau wie die Wiener nahmen auch die
porteños
den Tod sehr ernst. Ernst genug, um große Summen Geldes auf teure Gräber und Mausoleen zu verwenden. Wir betraten die Anlage durch ein Tor im griechischen Stil und gelangten in eine kleine Stadt aus Marmor. Viele der Mausoleen waren im klassischen Stil gehalten und sahen beinahe aus, als könnte man sie bewohnen. Während wir über die ordentlichen Kieswege ging, kam es mir vor, als befänden wir uns in einer antiken römischen Stadt, deren Einwohner nach irgendeiner Naturkatastrophe verschwunden waren. Wenn ich den Kopf hob und hinauf in den blauen Himmel sah, erwartete ich halb, den rauchenden Krater eines Vulkans zu erblicken. Es war schwer, sich vorzustellen, dass es einem vierzehnjährigen Mädchen an einem Ort wie diesem gefiel. Die wenigen Leute, denen wir begegneten, waren alt und grauhaarig. Ich nehme an, dass sie das Gleiche von Colonel Montalban und mir dachten.
    Wir kehrten zum Wagen zurück und fuhren in Richtung Casa Rosada. Es war eine Weile her, dass ich einen Wagen gesteuert hatte. Nicht, dass es irgendjemand bemerkt hätte. Ich hatte schon schlechtere Fahrer als die
porteños
von Buenos Aires gesehen, allerdings nur in
Ben Hur
. Ramón Novarro und Francis Bushman hätten sich wie zu Hause

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