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Das letzte Experiment

Das letzte Experiment

Titel: Das letzte Experiment Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philip Kerr
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dieser Adresse gemeldet waren. Deswegen fand ich innerhalb eines Vormittags anhand der Adressen auf meiner Liste heraus, wer sich hinter den falschen Patientennamen verbarg. Die Arbeit war langweilig, und normalerweise hätte ich sie einem meiner Assistenten überlassen. Doch ich war noch nie besonders gut darin gewesen, zu delegieren – ebenso schwer fiel es mir übrigens, Weisungen entgegenzunehmen. Außerdem hätte ich einem Untergebenen am Ende vielleicht erklären müssen, woher ich die Liste überhaupt hatte. Die Kripo konnte unnachgiebig mit Kollegen sein, die das Gesetz brachen – selbst wenn sie sich nicht bereichern, sondern nur die Ermittlungen vorantreiben wollten.
    Aus dem gleichen Grund musste ich eine weitere langweilige Aufgabe selbst übernehmen – und jeden einzelnen Namen auf der Liste überprüfen. Ein Name auf der Liste, den ich mit Hilfe des Teufelsverzeichnissesgefunden hatte, war allerdings überhaupt nicht langweilig: Dr.   Kassner. Es interessierte mich nun wirklich, warum der durchführende Arzt selbst auf der Liste mit den Testpersonen stand.
    Als ich an meinen Schreibtisch zurückkehrte, tippte Grund etwas auf meiner alten Carmen. Er benutzte das Ein-Finger-Suchsystem. Es sah aus, als würde er Ameisen zerdrücken oder die eröffnenden Noten eines russischen Pianokonzerts spielen.
    «Wo zum Teufel hast du gesteckt?», fragte er.
    «Wo zum Teufel hast du gesteckt,
Chef »
, verbesserte ich ihn.
    «Illmann hat angerufen. Die tote Anita Schwarz hatte keine Geschlechtskrankheit. Und Gennat will, dass wir uns ein totes Mädchen ansehen, das auf dem städtischen Viehmarkt gefunden wurde. Sieht aus, als wäre sie erschossen worden, aber wir sollen uns die Sache trotzdem ansehen, nur für den Fall.»
    «Wäre sinnvoll, denke ich.» Der Viehmarkt war nur ein paar hundert Meter von Friedrichshain entfernt, wo wir die tote Anita Schwarz gefunden hatten.
    Wir waren innerhalb weniger Minuten da. Markttage waren Mittwoch und Samstag, daher lag der Markt verlassen da. Doch das Restaurant hatte geöffnet, und Gäste   – Viehhändler und Großmetzger hauptsächlich, aus Pankow, Weißensee und Petershagen – hatten berichtet, dass drei Männer ein Mädchen über den Viehhof gejagt hätten. Doch die Beschreibungen waren ungenau. Zu ungenau, um sie zu Protokoll zu nehmen. Die Leiche selbst war im Schlachthaus. Die Tote war um die zwanzig. Ihr war aus nächster Nähe in den Kopf geschossen worden. Rings um die Einschussstelle war ein brauner Fleck. Sie war halb ausgezogen, und dem Geruch nach zu urteilen, war sie vergewaltigt worden. Doch sie war keinem Amateur-Chirurgen zum Opfer gefallen.
    «Also schön, Umstände, die Verdacht erwecken», sagte Grund nach einer ganzen Weile.
    Ich wäre überrascht gewesen, wenn er es nicht gesagt hätte.
    «Hübsche Muschi obendrein», fügte er hinzu.
    «Warum gehst du nicht hin und schiebst ihn rein? Ich sehe so lange weg.»
    «Ich meine doch nur!», sagte er. «Sieh doch selbst, Chef. Ihre Muschi ist rasiert, größtenteils. Sieht man nicht so oft, das ist alles. So kahl. Wie bei einem kleinen Mädchen.»
    Ich durchsuchte ihre Handtasche, die einer der uniformierten Schupos in der Nähe entdeckt hatte. Auf dem Mitgliedsausweis der Kommunistischen Partei stand ihr Name: Sabine Färber. Sie hatte in der Parteizentrale der KPD gearbeitet, ganz in der Nähe meiner Wohnung. Sie selbst wohnte in der Pettenkofer Straße, am Rand von Lichterfelde, hundert Meter von der Stelle entfernt, wo sie ermordet worden war. Schon jetzt schien mir vollkommen klar, was hier wahrscheinlich passiert war.
    «Verdammte Nazis!», sagte ich laut und voller Abscheu.
    «Verdammt, ich hab die Nase voll davon!», schimpfte Grund. «Wie kommst du jetzt schon wieder darauf? Dass das Nazis gewesen sind? Du hast selbst die Beschreibungen gehört, die diese Metzger abgeliefert haben! Niemand hat irgendwas von Braunhemden oder Hakenkreuzen gesagt! Nicht mal ein Zweifingerbart! Wie zum Teufel kommst du darauf, dass es Nazis waren?»
    «Es ist nichts Persönliches, Heinrich.» Ich warf ihm Sabine Färbers Parteiausweis zu. «Aber es waren sicher nicht die Zeugen Jehovas auf der Suche nach einem Bekehrungswilligen.»
    Er warf einen Blick auf den Ausweis und zuckte die Schultern, als räumte er ein, dass ich recht haben könnte.
    «Komm schon. Ihre Fingerabdrücke sind überall. Ich würde sagen, die drei Männer, die die Metzger gesehen haben, waren S A-Männer in Zivil. Sie haben auf ihr Opfer

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