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Das letzte Experiment

Das letzte Experiment

Titel: Das letzte Experiment Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philip Kerr
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was passiert», sagte ich und spie aus.
    «Worum ging es denn überhaupt?», fragte er.
    «Politik», sagte ich. «Darum geht es dieser Tage doch ständig. Um die Politik.»
     
    Ich kehrte nicht auf direktem Weg zum Alex zurück. Stattdessen fuhr ich zu Kassners Wohnung am Dönhoffplatz am östlichen Ende der Leipziger Straße. Ich hielt bei einem großen Ziergarten mit den bronzenen Statuen zweier preußischer Staatsmänner, die mich über eine niedrige Ligusterhecke hinweg anstarrten. Ein kleiner Junge, der mit seiner Mutter spazieren war, betrachtete neugierig die Statuen und fragte sich wahrscheinlich, wer diese Männer gewesen waren. Ich für meinen Teil fragte mich, wie der Name von Dr.   Kassner auf eine Liste kam, die ich von Klein erhalten hatte. Ich wusste, dass Kassner noch in der Klinik war, deswegen hatte ich keine Ahnung, was ich mir von diesem Abstecher erwartete. Doch ich bin nun einmal ein unverbesserlicher Optimist. Wenn man als Ermittler bei der Kriminalpolizei arbeitet, muss man Optimist sein. Und manchmal muss man das tun, was einem die Instinkte sagen.
    Ich ging zu der glänzenden schwarzen Haustür und nahm sie genauer in Augenschein. Es gab drei Klingeln. Eine davon war deutlich mit dem Namen Kassner beschildert. Rechts und links nebender Tür standen schmiedeeiserne Kübel mit Geranien. Respektable Wohngegend, keine Frage. Ich zog an der Glocke und wartete. Nach einer Weile hörte ich, wie sich der Schlüssel im Schloss drehte. Die Tür öffnete sich, und ein Mann Anfang zwanzig erschien. Ich zog unschuldig den Hut.
    «Dr.   Kassner?»
    «Nein», sagte der Mann. «Dr.   Kassner ist nicht da.»
    «Mein Name ist Hoffmann», sagte ich und zog meinen Hut erneut. «Von der Isar Lebensversicherung.»
    Der junge Mann nickte höflich und schwieg.
    Ich sah auf die beiden anderen Namensschilder an den Klingelschnüren. «Herr Körtig?»
    «Nein.»
    «Dann sind Sie wohl Herr Peters?»
    «Nein. Ich bin ein Freund von Dr.   Kassner. Und wie ich bereits sagte, er ist im Augenblick nicht zu Hause.»
    «Wann kommt der Doktor denn zurück, Herr   …?»
    «Sie können ihn im Städtischen Krankenhaus in Friedrichshain finden. In der Urologischen Klinik.» Der Mann grinste, als hoffte er, diese Eröffnung würde mich irgendwie verlegen machen. Er hatte eine große Lücke zwischen den Schneidezähnen. «Es tut mir leid, aber ich habe keine Zeit für Sie. Ich komme zu spät zu einer Verabredung. Wenn Sie mich bitte entschuldigen würden.»
    «Selbstverständlich.»
    Ich trat beiseite und sah ihm hinterher, wie er die Treppe hinunter und auf den Platz eilte. Er war mittelgroß, gutaussehend und besaß einen dunklen, fast mediterranen Teint. Er trug einen hellen, leichten Sommeranzug und ein weißes Hemd ohne Krawatte. Er stieg über die geschlossene Wagentür in einen kleinen offenen Opel, weiß mit einem blauen Streifen. Ich hatte dem Wagen vorher keine Beachtung geschenkt – ich war wahrscheinlich immer noch ein wenig durcheinander   –, doch als er den Motor startete und davonfuhr, wurde mir bewusst, dass ich die Nummer notieren musste.Ich erkannte gerade noch die ersten Zeichen, II A, bevor er um die Ecke bog und in der Jerusalemer Straße verschwand. Wenigstens wusste ich nun, dass der junge Mann aus München kam.
    Eine Stunde später saß ich wieder an meinem Schreibtisch. Ich sah Heinrich Grund auf der anderen Seite des Einsatzraums und stand im Begriff, zu ihm zu gehen und ihm zu sagen, dass ich keinen Groll gegen ihn hegte, als der Volle Ernst neben mir auftauchte wie ein Bus vor seinem Depot. Er trug einen dreiteiligen blauen Nadelstreifenanzug in Sondergröße und hatte eine Senior im Mundwinkel, an der er aufgeregt nuckelte. Er nahm die Zigarre aus dem Mund und begann zu reden. Es hörte sich an wie der Blasebalg einer Kirchenorgel. Ein Aroma aus Rauch, süßem Kaffee und irgendetwas Stärkerem kam auf mich herab wie Moses vom Berg Sinai.
    «Irgendwas Neues in Bezug auf den Mord drüben beim Viehhof?», wollte er wissen.
    «Sieht nach einem vorsätzlichen Mord und Schlimmerem aus.»
    «Schlimmerem?»
    «Sie wurde außerdem vergewaltigt.»
    Gennat verzog das Gesicht.
    «Der Vipoprä will uns sehen.» Gennat sprach niemals von Isidor, wenn er Bernhard Weiß meinte. Er nannte ihn nicht einmal Bernhard. Er nannte ihn entweder Weiß oder den Vipoprä. «Sofort.»
    «Worum geht’s denn?», fragte ich und überlegte, ob Grund dumm genug gewesen war, sich selbst zu melden, weil er einen Vorgesetzten

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