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Das letzte Experiment

Das letzte Experiment

Titel: Das letzte Experiment Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philip Kerr
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Roten.»
    «Was immer Sie sagen, Arthur. Ich weiß lediglich, dass es nicht die Roten sind, die mich bedroht haben. Die mir sagen, ich soll die Finger vom Fall Anita Schwarz lassen, um Rücksicht zu nehmen auf die Gefühle von Joseph Goebbels. Das waren die Nazis.»
    «Aha? Und wer genau?»
    «Rudolf Diels.»
    «Diels gehört zum Fetten Hermann, nicht zu Joseph.»
    «Für mich sind es alles die gleichen Schweine, Arthur.»
    «Sonst noch etwas, das Sie mir erzählen wollen? Über den Fall Schwarz, meine ich? Wie kommen Sie voran?»
    Ich lächelte bitter. «Eine Mordermittlung funktioniert folgendermaßen, Arthur: Manchmal muss zuerst das Schlimmste passieren, bevor man auf das Beste hoffen kann.»
    «Wie beispielsweise ein weiterer Mord?», fragte er.
    Ich nickte.
    Nebe schwieg für einen Moment. «Das verstehe ich», sagte er dann. «Das versteht jeder. Das verstehen sogar Sie, Bernie.»
    «Ich? Was soll das jetzt schon wieder heißen, Arthur?»
    «Manchmal muss zuerst das Schlimmste passieren, bevor man auf das Beste hoffen kann. Das ist der einzige Grund, aus dem im Juli alle die Nazis wählen.»
     
    Heinrich Grund blickte von seiner Schreibmaschine auf, als ich an meinen Schreibtisch zurückkehrte. «Irgend so ein Jude hat nach dir gefragt», sagte er, ohne seinen Abscheu zu verbergen.
    «Tatsächlich? Und hatte dieser Jude auch einen Namen?»
    «Kommissar Paul Herzefelde. Aus München.» Er stieß den Namen Herzefelde mit gerümpfter Nase aus, als würde er über etwas sprechen, das an seiner Schuhsohle haftete.
    «Und wo ist dieser Kommissar Herzefelde jetzt?»
    Grund deutete mit dem Kopf nach oben. «Im Excelsior», sagte er.
    Der Alex war früher eine Kaserne für die preußische Polizei gewesen, und Excelsior wurde jener Teil des Gebäudes genannt, der immer noch als Übernachtungsstätte für Beamte bereitstand, die lange arbeiteten oder von außerhalb zu Besuch in Berlin waren.
    «Es wird ihnen nicht gefallen», brummte Grund.
    «Wem wird was nicht gefallen?»
    «Den anderen Jungs. Im Excelsior. Es wird ihnen nicht gefallen, dass sie ihr Quartier mit einem Juden teilen müssen.»
    Ich schüttelte resigniert den Kopf. «Tut dir nicht manchmal der Mund weh, Heinrich? Wegen all der hässlichen Dinge, die ständig daraus hervorkommen? Der Mann ist ein Kollege, um Jesu Christi willen!»
    «Um Jesu Christi willen?», entgegnete Grund ätzend. «Das ist genau der Punkt. Seinesgleichen hat nichts um Jesu Christi willen getan. Die Juden stünden nicht da, wo sie heute stehen, wenn sie unseren Heiland als das erkannt hätten.»
    «Heinrich? Wegen Leuten wie dir hat die Polizei so einen schlechten Ruf.» Ich ging nach oben, um Herzefelde zu suchen. Ich hatte keine Ahnung, wie er aussah. Sicherlich kam kein Polizist mit einem Gebetsriemen über der Stirn und einem Gebetsschal um die Schultern hierher. Aber Paul Herzefelde sah aus wie ein Filmstar. Über eins achtzig groß und attraktiv mit dichten, dunklen Augenbrauen und grauem Haar. Sein gebräuntes Gesicht sah aus wie von einem Bildhauer gemeißelt. Paul Herzefelde hatte ungefährso viel mit der Nazi-Karikatur des finsteren, fetten Juden mit Ringellocken, Hut und Frackschößen gemeinsam wie Adolf Hitler mit einem blonden, blauäugigen Germanen.
    «Sind Sie Kommissar Herzefelde?»
    Der Mann nickte. «Und wer sind Sie?»
    «Kommissar Gunther. Willkommen in Berlin.»
    «Wohl eher nicht, will mir scheinen.»
    «Bitte entschuldigen Sie diesen Zwischenfall.»
    «Vergessen Sie’s. Um ganz ehrlich zu sein – München ist noch viel, viel schlimmer.»
    «Dann bin ich froh, dass ich nicht in München wohne.»
    «Es hat auch seine guten Seiten. Insbesondere, wenn man gern Bier trinkt.»
    «Das Bier schmeckt in Berlin auch recht gut, wissen Sie?»
    «Nein, woher auch?»
    «Was halten Sie dann davon, wenn wir eins trinken gehen und Sie sich überzeugen?»
    «Ich dachte schon, Sie würden nie fragen, Kollege.»
    Wir gingen in den Prälaten, im Gewölbe der S-Bahn -Station. Es war ein anständiger Laden und beliebt bei den Kollegen vom Alex. Ungefähr alle zehn Minuten fuhr ein Zug über uns vorbei, und weil es sinnlos war, während dieser Zeit etwas zu sagen, konnte man einfach einen Moment schweigen und sich stattdessen auf das Bier konzentrieren.
    «Nun, was führt Sie nach Berlin?», begann ich.
    «Bernhard Weiß. Wir Itzig-Bullen müssen zusammenhalten. Wir hatten überlegt, unsere eigene Judengewerkschaft zu gründen. Das Dumme ist, bei so vielen jüdischen Polizisten

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