Das letzte Experiment
einer S S-Panzerdivision gewesen. Während der Schlacht um Frankreich hatte seine Einheit sechsunddreißig gefangene Kanadier exekutiert. Gellers kommandierender Offizier verbüßte inzwischen eine lebenslängliche Freiheitsstrafe in einem kanadischen Gefängnis, und weil Herbert eine ähnliche Strafe fürchtete, war er rechtzeitig nach Südamerika geflüchtet. Er sah braungebrannt und fit aus und schien sein neues Leben zu genießen.
«Die Arbeit ist ziemlich interessant», erklärte er bei einem Glas deutschem Bier. «Der Río Dulce verläuft etwa vierhundertfünfzig Kilometer durch die Provinz Cordoba, und wir wollen einen Staudamm errichten, den La Quiroga. Es wird ein beeindruckender Anblick, wenn er erst steht, Bernie. Dreihundert Meter lang, fünfzig Meter hoch und zweiunddreißig Fluttore. Natürlich sind nicht alle von diesem Projekt begeistert. Das ist bei derartigen Projekten fast nie der Fall. Viele Farmen und Dörfer werden für immer im Stausee verschwinden, aber der Damm wird die gesamte Provinz mit Wasser und Strom versorgen.»
«Wie geht es unserem berühmteren Freund?»
«Riccardo? Er hasst das Leben hier. Er wohnt mit einem Bauernmädchen zusammen in La Cocha, einem kleinen Bergdorf hundertKilometer südlich von hier. Er kommt nicht öfter nach Tucumán, als er muss. Hat wahrscheinlich Angst, sein Gesicht zu zeigen, was mich nicht wundert. Wir arbeiten beide für einen alten Kameraden. In Tucumán wimmelt es von alten Kameraden. Wir arbeiten für einen österreichischen Professor namens Pelkhofer, Armin Pelkhofer. Er ist Wasserbauingenieur. Er und Riccardo scheinen sich noch von vor dem Krieg zu kennen, als Pelkhofer noch Armin Schoklitsch hieß, aber ich habe keine Ahnung, was er getan hat, dass er nach Argentinien flüchten musste.»
«Nichts Gutes, wenn er mit Riccardo befreundet ist», sagte ich.
«Bestimmt nicht. Jedenfalls führen wir Untersuchungen zur Fließgeschwindigkeit durch, sammeln Gesteinsproben und zeichnen Vermessungsdaten auf, alles für den Professor. Es ist nicht weiter schwierig oder so, aber ich bin viel draußen an der frischen Luft, was mir ganz recht ist nach den Monaten des Versteckens in dunklen Kellern und auf Speichern. Ich werde es vermissen. Hatte ich schon erwähnt, dass ich in sechs Monaten zur Personalabteilung von CAPRI in Buenos Aires versetzt werden soll?»
Wir aßen gemeinsam zu Mittag. Die Steaks waren ausgezeichnet. Das Essen war immer gut in Argentinien – solange man Steak bestellte.
«Wie steht es mit dir, Bernie? Was führt dich so weit in den Norden?»
«Ich arbeite für die argentinische Polizei. Ich soll alte Kameraden überprüfen. Herausfinden, ob sie es wert sind, dass man ihnen ein Führungszeugnis ausstellt, Voraussetzung für den argentinischen Reisepass. Deins ist bereits bewilligt.»
«Danke. Ich danke dir vielmals, Bernie.»
«Kein Problem. Um ehrlich zu sein, es ist hauptsächlich eine Tarnung, damit ich einigen unserer alten Kameraden eine Menge peinliche Fragen stellen kann. Beispielsweise: Was hast du im Krieg gemacht, Fritz? Die Argentinier sind ein wenig nervös und befürchten, sie könnten unwissentlich irgendeinem Psychopathen undMassenmörder einen Pass aushändigen, und die Amis finden es heraus und veranstalten einen Tanz deswegen.»
«Ich verstehe. Komplizierte Sache.»
«Ich hatte gehofft, du könntest mir vielleicht helfen, Herbert. Schließlich müssen wir nicht darüber reden, dass CAPRI der größte Arbeitgeber für ehemalige S S-Leute in Argentinien ist.»
«Selbstverständlich helfe ich dir», sagte Geller. «Du bist mehr oder weniger mein einziger Freund in diesem Land, Bernie. Du – und dann noch ein Mädchen, das ich in Buenos Aires kennengelernt habe.»
«Das freut mich für dich, Herbert. Abgesehen von Riccardo – wen hast du sonst noch getroffen von den lebenden Albträumen?»
«Ich verstehe. Du meinst die Sorte von Schweinen, die uns anderen Schweinen den Ruf verdirbt.»
«Ganz genau.»
«Warte mal. Da wäre Erwin Fleiß. Er ist ein widerlicher Kerl. Aus Innsbruck. Er hat einen ziemlich geschmacklosen Witz gemacht über ein Judenpogrom, das er 1938 in Österreich organisiert haben will. Dann haben wir noch zwei Gauleiter, einen aus Braunschweig und einen aus der Steiermark. Einen Luftwaffengeneral namens Kramer und noch einen Kerl, der einer von Hitlers Leibwächtern war. Im Hauptbüro in Buenos Aires gibt es natürlich noch eine ganze Menge mehr von den Burschen. Ich könnte wahrscheinlich
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