Das letzte Hemd
instinktiv. Er
versetzte der Biertischgarnitur zur seiner Rechten einen Tritt und schob sie
damit dem Flüchtenden in den Weg. Zu Larrys größter Überraschung klappte sein
Manöver. Bedford stürzte stuntreif über die Bank und schlug lang hin. Larry sah
sich nach einer Waffe um, fand aber nur ein bayerisches Bierseidel, das er
entschlossen am Griff packte. Da sind uns die Bayern voraus, dachte er noch
wirr, mit einem Kölsch- oder Altbierstängchen könnte man sich jetzt nicht
verteidigen. Er hob das Bierglas. Da kam Becker die Treppe herunter und
überwältigte den bereits am Boden liegenden Bedford endgültig. In dem Moment,
als die Handschellen klickten, waren auch Beckers Kollegen vor Ort.
Bedford wurde abgeführt. Einer der Kollegen zeigte Becker noch
kurz den Pilotenschein für Sportflugzeuge, den man in Bedfords Tasche gefunden
hatte. Offensichtlich hatte er ein Flugzeug klauen und damit fliehen wollen.
Vielleicht würden sie ihm die Brandstiftung beweisen können, zumindest aber
versuchte Erpressung und Anstiftung zu einer Straftat.
Becker sah den Kollegen hinterher, dann drehte er sich wieder zu
Larry um, der ein wenig blass auf einem Barhocker saß. Er deutete auf seine
Hand. »Wollen Sie das nicht endlich mal loslassen?«
Larry folgte seinem Blick. In der Hand hielt er immer noch völlig
sinnlos den Bierhumpen. Er sah ihn an. Dann zuckte er kurz mit den Schultern,
ging hinter den Tresen und zapfte sich ein Bier.
ELF
Am nächsten Morgen kaufte Rosenmair im großen Stil Hemden.
Als der blasiert wirkende Verkäufer vom Typ Jungspund ihm Tipps zur Pflege
geben wollte, winkte er ab und meinte: »Danke, ich habe echte Spezialisten, die
sich darum kümmern.« Dann machte er sich auf den Weg zu Frau Jansen, die immer
noch im Krankenhaus lag. Von Krankenhausbesuchen hatte er zwar die Nase
gründlich voll, und er kannte die Frau ja eigentlich nicht mal, aber da es um
den Hund ging, wollte er Becker den Gefallen tun, kurz mit ihr zu reden. Auf
dem Weg dorthin brachte er seine Einkäufe in seinem apricotfarbenen Gefährt unter.
Im Urban-Krankenhaus bekam er die nächste Dosis der sprichwörtlichen
Berliner Schnauze. Denn als er sich trotz vorheriger Nachfrage am
»Info-Counter« auf der Suche nach dem Zimmer verlaufen hatte und eine mürrisch
dreinschauende Angestellte fragte, die gerade Tabletts in einen Gitterwagen
einsortierte, bekam er als Antwort ein patziges »Det is eene Etage tiefer,
Mann, det seh’n Se doch!« zu hören. Als er dann auch noch nach dem Weg zum
Treppenhaus fragte, deutete die Frau nur kurz mit ihrem Daumen hinter sich und
blaffte: »Mann, heiß ick Tom Tom oder wat?« Rosenmair wunderte sich über die
seltsame Frage und ließ sie einfach stehen.
Erst Tage später sollte Larry ihm die Bemerkung und deren
Zusammenhang mit einem bekannten handelsüblichen Navigationssystem fürs Auto
erklären.
Frau Jansen blätterte in einer Zeitschrift mit dem erstaunlichen
Titel »Der gute Rat«. Nachdem Rosenmair sich vorgestellt und kurz die Sache mit
seinem Nachbarn Becker und der gemeinsamen Hundepflege erklärt hatte, nahm sie
seine Hand, drückte sie lange, und dankte ihm überschwänglich mit Tränen in den
Augen. Rosenmair war peinlich berührt, ließ es aber geschehen und fragte, wie
sie sich hier fühle.
»Na, ich will natürlich so schnell wie möglich zurück in mein
gemütliches Waldniel«, erwiderte Frau Jansen. »Ich hab hier ja kaum was
gesehen, aber es ist mir auch so schon alles zu groß und zu voll. Und wie isset
zu Hause, wie macht sich der Hund?«
Rosenmair winkte ab. »Ach, Sie kennen ja Rüttgers. Manchmal kackt er
in die Rosen, aber das ist normal. Und für die Blumen wahrscheinlich sogar gut.
Unsere Nachbarn in Hamburg hatten Stockrosen am Gartenzaun, da wurde dauernd
gegengepinkelt, und es gab keine schöneren in der ganzen Stadt …« Er
verstummte. Frau Jansen sah ihn an, als sei er eigentlich derjenige, der in das
Krankhausbett gehörte. Ihre Hand suchte nach dem Alarmknopf. »Keine Sorge«,
beschwichtigte Rosenmair sie, »ich nehm ihm das nicht übel. Aber er hört gar
nicht gut, oder? Ich sag immer: ›Rüttgers, lass das!‹, aber das scheint ihn gar
nicht zu interessieren. War das bei Ihnen auch so?«
Frau Jansen starrte ihn immer noch an, dann schüttelte sie
vorsichtig den Kopf. »Ich weiß nicht, ich kenn den ja nicht …«
Erst da wurde Rosenmair klar, dass es in Frau Jansens Augen ziemlich
seltsam und auch ein bisschen spinnert klingen musste, wenn ihr ein
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