Das letzte Hemd
wie die Lage
war, dann gab er seinen Standpunkt durch. Der Kollege verstand ihn anscheinend
nicht richtig, die Verbindung war nicht gut.
»Nein, Geis mühle . Mühle, Mehl, Brot,
klippklapp, am rauschenden Bach …« Er verdrehte kurz die Augen. »Ja, wenn es
hell wäre, könntest du die Mühlflügel sehen.« Er blickte wieder auf Larrys
Laptop, dann stutzte er und legte auf. »Können Sie das größer machen, also
näher rangehen?«
Larry zoomte weiter ran. Becker zeigte auf etwas neben dem
blinkenden Punkt des vermeintlichen Majors. »Das sieht doch auch aus wie
Mühlflügel, oder? Der Schatten da. Gibt’s hier eine Mühle?«
Larry tippte ein bisschen, dann hatte er es gefunden. »Ja, hier, bei
Krefeld, im Ortsteil Traar, da ist eine kleine Mühle, die kann man wohl auch
mieten.« Er sah Becker an, jetzt klickte es in seinem Hinterkopf. Natürlich!
»Und wissen Sie, was das ist?« Er deutete auf das an die Mühle angrenzende
Feld. »Das ist ein Sportflugplatz.«
Becker und Larry waren als Erste vor Ort. Sie hatten die Moerser
Landstraße gekreuzt und sich der Mühle am Egelsberg aus nördlicher Richtung
genähert. Am Fuße des Hügels ließen sie den Wagen zwischen schmucken
Einfamilienhäusern stehen und gingen den Rest zu Fuß. An die Mühle kam man nur
von der Rollfeldseite mit dem Auto heran, und das wäre in der Dunkelheit sofort
aufgefallen. Becker instruierte die Kollegen leise, dass auch sie von der
hinteren Seite heranfahren und auf jeden Fall auf Blaulicht verzichten sollten.
Er hörte kurz auf die Antwort und fluchte halblaut. Larry sah ihn an. »Was’n
los?«
»Die haben sich verfahren.« Becker lachte kurz und bitter. »Die
drehen jetzt eine ganz große Runde.«
Larry deutete auf die Mühle. »Auf jeden Fall ist jemand da.« Im
ersten Stock und im Erdgeschoss brannte Licht.
Die Tür war nur angelehnt. Becker bedeutete Larry zurückzubleiben,
dann sah er vorsichtig hinein. Das Erdgeschoss bestand aus einem einzigen Raum,
von dem an der rechten Seite ein kleiner Gang mit einer Tür abging,
wahrscheinlich die Toilette. Links standen ein paar Biertischgarnituren, gleich
dem Eingang gegenüber befand sich ein Tresen samt Zapfanlage. Rechts führte
eine Treppe in den oberen Teil der Mühle. Von dort hörte man Geräusche, und
jetzt tat sich auch unten am Wohngebiet etwas. Larry signalisierte Becker, dass
wohl die Verstärkung auf dem Weg war. Also ging Becker hinein und stieg leise
die Treppe hinauf.
Larry blieb draußen stehen und wusste nicht recht, was er tun
sollte. Wenn die anderen Polizisten jetzt auftauchten, wie sollte er ihnen
erklären, was er hier zu suchen hatte, als Zivilist und Unbeteiligter?
Wahrscheinlich würden sie ihn festnehmen, bevor er oder Becker das Ganze
erläutern könnte. Larry überlegte kurz, dann ging er Becker leise hinterher. Im
Licht wäre es sicher einfacher als im Dunkel der Nacht.
Er schlich sich in Richtung Tresen. Noch während er unterwegs war,
überkam ihn plötzlich eine irrationale Lust auf ein schönes, frisch gezapftes
Bier. Völlig bescheuert, dachte er, als er oben plötzlich einen Tumult hörte
und jemand die Treppe hinuntergestürzt kam.
Kriminalhauptkommissar Hans-Harald Becker war kein Schimanski,
kein James Bond, ja nicht mal ein Dirk Matthies, dieser Polizist aus der
Hamburg-Serie »Großstadtrevier«, die Becker manchmal ganz gern sah. Er dachte,
dass gleich die Kollegen kommen und der Verdächtige hier sowieso keinen
Fluchtweg zur Verfügung haben würde. Also wagte er sich weiter vor.
Bedford wandte ihm den Rücken zu. Er packte offensichtlich gerade
eine größere Reisetasche, ein ziemlich vollgestopfter Rucksack stand in der
Ecke. Der Raum war kleiner, als Becker erwartet hatte, Bedford war anscheinend
allein.
Der Kommissar entschloss sich zur Offensive und griff nach seiner
Dienstpistole und den Handschellen. Als er die letzte Stufe nehmen wollte, trat
er nur mit der Spitze darauf und rutschte ab. Er konnte sich zwar noch fangen,
aber die Handschellen verursachten ein leichtes Klirren.
Bedford fuhr herum und schleuderte Becker mit erstaunlicher
Reaktionsschnelligkeit die gefüllte Reisetasche vor die Brust. Becker verlor
den Halt und sackte nach hinten, dabei fielen ihm seine Waffe und die
Handschellen aus der Hand. Im nächsten Moment war Bedford über ihn
hinweggesprungen und eilte die Treppe hinunter.
Larry hatte sich lieber aus allem heraushalten wollen, aber als er
sah, dass Bedford Richtung Tür rannte, reagierte er fast
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