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Das letzte Hemd

Das letzte Hemd

Titel: Das letzte Hemd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kirsten Puettjer , Volker Bleeck
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hatte er keinen Zweifel, von Rosenmair
hätte er sich allerdings ein bisschen mehr erhofft. Wirklich auskunftsfreudig
war der Richter bei ihrem Gespräch vorhin nicht gewesen. Er hatte aber immerhin
versprochen, sich noch einmal nach etwaigen Geheimtipps umzusehen. Vielleicht
kam dabei ja noch was heraus. In den nächsten Tagen wollte er sich übers
Internet informieren oder in die nächste Buchhandlung gehen und sich mit Reiseführern
eindecken. Das nahm er sich jedenfalls vor.
    Zuerst musste aber die NRW -Wahl über
die Bühne gehen. Etliche Wochen war das noch hin, und in diesem Zusammenhang
gab es für die Polizei immer genug zu tun, nicht nur wegen der vielen
Wahlveranstaltungen. Zu denen reisten ja auch immer einige hohe Tiere aus
Berlin an, um die regionalen Politgrößen – oder solche, die sich dafür hielten – wahltechnisch zu unterstützen. Da gab’s erfahrungsgemäß immer mal wieder
Ärger, ausgelöst durch hysterische PR -Fuzzis,
buckelnde Referenten oder wichtigtuerische Hinterbänkler, gern auch alles in
Kombination. Becker erinnerte sich an eine Situation bei der letzten Wahl, als
ein CDU -Abgeordneter einer kleinen
Nachbargemeinde mit Panik in der Stimme bei der Polizei angerufen und nicht
weniger als Personenschutz rund um die Uhr, das sofortige Ausrücken eines SEK und den Einbau von Panzerglasscheiben im ganzen
Haus gefordert hatte. Weil es zu einem, wie er es formulierte, »Anschlag auf
Leib und Leben« gekommen war. Wie sich schließlich herausstellte, hatten
Nachbarskinder dem notorisch nörgelnden Hausbesitzer rohe Eier an die Fassade
geworfen und, wie Becker neidlos anerkennen musste, auch zielgenau getroffen.
Aber da war der gesamte Polizeiapparat bereits angelaufen, weil der Politiker
natürlich auch den Polizeipräsidenten aufgescheucht hatte, mit dem er im
örtlichen Schützenverein saß. Als ob die Polizei nichts Besseres zu tun hatte!
    Becker wollte sich gerade wieder auf die Pausenstände der
Bundesligaspiele konzentrieren – schließlich lag »seine Borussia« momentan
gerade mal wieder eher im Mittelfeld, da zählte jeder Punkt –, als es
klingelte. Seit er allein wohnte, hatte Becker in so amateurhafter wie
ambitionierter Heimbastelarbeit sein Haus neu verkabelt. Jetzt schellte es im
ganzen Haus, sobald jemand an der Haustür auf die Klingel drückte. Die Kabel in
den Keller verliefen wenig elegant über Putz, im ersten Stock hatte er jedoch die
bereits existierende Leitung für den elektrischen Türöffner genutzt, worauf er
insgeheim ziemlich stolz war. Das hatte zwar zur Folge, dass er von oben nicht
mehr die Tür aufdrücken konnte, aber das störte ihn nicht, er ging sowieso
immer selbst zur Tür, so wie jetzt. Dadurch kriegte er allerdings nicht mehr
mit, dass in Mönchengladbach des Nachts laut Radiomeldung gleich drei Autos in
Flammen aufgegangen waren. Die Polizei ließ bislang nur verlauten, dass sie
Brandstiftung keineswegs und überhaupt gar nicht ausschließen wolle.
    ***
    Fast hätte Max Rosenmair seinen Schwiegersohn spontan ins Herz
geschlossen. Gut, wenn er ehrlich war, waren es nach wie vor ganz andere
Körperteile, die er spontan mit Philipp Lindner in Verbindung brachte, aber auf
einer anderen Ebene hatte er gerade ordentlich Punkte gemacht. Nachdem er sich
endlich von seinem Blackberry hatte losreißen können, war Lindner nämlich
zunächst zum Schein auf Ann-Britts Idee mit der Hochzeit in Waldniel
eingegangen, hatte ihre Spontaneität gelobt und ihren Sinn für Romantik – das
klassische Den-Wähler-verstehen-und-beruhigen-durch-Lob-Programm. Dann aber war
er auf die Nachteile zu sprechen gekommen, auf seine Verwandtschaft, die fast
gänzlich in den Häusern seines Vaters untergebracht werden musste. Anscheinend
gab es zum Hochzeitstermin nirgends Hotelzimmer. Rosenmair war gespannt, was
Ann-Britt zu alldem sagen würde. So aalglatt Philipp Lindner in seinen Augen
auch war, er verstand gewissermaßen sein Handwerk.
    In diesem Moment traf Lindners Blick den von Rosenmair, und er zwinkerte
dem Richter verschwörerisch zu, als wollte er sagen: Lass die Kleine mal reden,
Frauen verstehen von so etwas eh nichts.
    Solch schmierige Kumpanei hatte Rosenmair schon immer angekotzt und
tat es auch jetzt, vielleicht sogar noch mehr als die nach wie vor furchtbare
Vorstellung, die Hochzeit sozusagen im eigenen Vorgarten auszurichten. Doch
bevor er seinem Ärger Luft machen konnte, spielte Lindner die Trumpfkarte aus:
»Außerdem sind die Einladungen mit der

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