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Das letzte Hemd

Das letzte Hemd

Titel: Das letzte Hemd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kirsten Puettjer , Volker Bleeck
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zum nächsten Baum
führte. Er richtete sich wieder auf und wandte sich an den Polizisten, der
neben dem Abschlepper stand. »Haben Sie schon irgendwas mitgenommen?«
    Der Kollege verstand nicht. »Wie, mitgenommen?«
    »Na, Spuren gesichert, irgendwas eingepackt.«
    Der Polizist verneinte. Stöffel kam dazu. »Was’n los, Chef?«
    Becker deutete auf die Reifen. »Auf jedem der Reifen lag ein
Grillanzünder, der auch gebrannt hat, das sieht man. Aber wo sind die jetzt
hin?«
    ***
    Rosenmair kämpfte sich tapfer durch Kolbichs Unterlagen. Neben
ihm stand ein großer Becher mit Espresso, verlängert mit heißem Wasser, in den
angesagten Kaffeeläden auch »Americano« genannt. Wäre J.P. Italiener, er hätte sich wahrscheinlich geweigert, Rosenmair eine solche Menge
auszuschenken, immerhin war ein richtiger Espresso gerade mal ein Schluck, der
es aber in sich hatte. Aber Rosenmair hatte sich mit der normalen Menge nicht
zufriedengeben wollen, seinen geliebten Filterkaffee verweigerte wiederum J.P. , der diese Zubereitung gern als »Abart allemande« abkanzelte.
    Er blätterte und blätterte. Was für ein Desaster. Rosenmair musste
sich alles mehrmals durchlesen, bis er verstand, auf was sich Kolbich und seine
Kollegen eingelassen hatten. Und er war immerhin studierter Jurist und hatte
als Richter so einige vertrackte Fälle zu lösen gehabt. Eines war sicher, das
hier war eine harte Nuss. Bislang war klar, dass die Unfallversicherung sich
nicht nur weigerte zu zahlen, sie kündigte auch eine genaue Untersuchung des
Unfallhergangs und eine eventuelle Klage wegen Fahrlässigkeit an. Rosenmair
notierte sich die Namen der Sachbearbeiter, um sie später anzurufen. Außerdem
musste er die Unterlagen kopieren. Noch war nicht geklärt, ob Kolbich und seine
Kollegen zum Zeitpunkt der Explosion überhaupt krankenversichert waren. Als
selbstständige Subunternehmer waren sie für die Arbeiten engagiert worden,
allerdings nicht von Deibel, ihrem eigentlichen, aber nun ehemaligen Chef,
sondern von einer weiteren Firma, die immer nur unter dem Kürzel E.A.V. auftauchte. Bei dem Namen klingelte irgendwas.
Aber er wusste nicht, was.
    Dafür klingelte es hinter ihm. J.P. polierte Gläser und linste neugierig zu ihm rüber. Rosenmair hielt die Mappe
hoch. »Verstehst du was von Versicherungen?«
    J.P. schüttelte so energisch den Kopf,
dass er dabei beinahe das Glas hätte fallen lassen. » Non .
Und schon gar nicht von Verträgen und correspondance .«
Er zeigte auf den Schriftverkehr, den Rosenmair über den ganzen Tisch
ausgebreitet hatte. »Was ich aber kenne, sind Versicherungsmenschen, die schon
bei mir gefeiert haben. Das war peinlich, nicht für Deutsche, sondern für die
menschliche Rasse an sich.« Er verdrehte die Augen und stellte die Gläser weg.
» Mon dieu , das war wirklich schwer verdientes
Schmerzensgeld. Ich habe noch nie zuvor gesehen, dass Menschen sich
Kopfschmerztabletten in den Rotwein – stell dir vor, Max, in den Rotwein! –
gekippt haben …«
    Rosenmair nickte wissend. »Das macht schneller betrunken.«
    »Na toll.« J.P. war wenig beeindruckt.
»Unfassbar, was die hier veranstaltet haben, die haben auf den Tischen getanzt …«
    »Wie man so schön sagt.«
    »Nein, die haben wirklich auf den Tischen getanzt. Drei sind dabei
kaputtgegangen, also Tische, aber die haben sie anstandslos ersetzt, wie auch
alles andere, das muss man sagen …«
    Rosenmair lachte verächtlich. »Wahrscheinlich waren sie gut
versichert.«
    »Jedenfalls kommen mir Versicherungen seitdem nicht mehr in den
Laden, je suis desolé .«
    »Bestimmt nicht.« Rosenmair sah noch einmal auf das Schriftstück vor
ihm. »Sagt dir vielleicht eine Firma namens E.A.V. etwas? Die scheinen hier aus der Ecke zu kommen.«
    J.P. dachte kurz nach. »Nein, sagt mir
nichts. Klingt aber nach Versicherung. Was machen die denn?«
    Rosenmair blätterte in den Unterlagen. »Das hab ich noch nicht so
ganz herausgefunden, irgendwas mit Bauarbeiten, Schweißarbeiten, Lagerhallen,
Zwischendecken und so. Kann ich mal ins Internet?«
    J.P. deutete in Richtung Tür. »Im
Büro. Catherine hat den Airtop mitgenommen.« Seit die beiden sich einen dieser
ultraflachen Apple-Laptops zugelegt hatten, die »MacBook Air« hießen, firmierte
der mobile Rechner bei J.P. nur noch als »der
Airtop«, was ein bisschen wie ein sehr luftiges Kleidungsstück klang, zumal in
seiner frankokanadischen Aussprache.
    Rosenmair betrat das winzige Büro, das eigentlich nicht viel

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