Das letzte Hemd
Becker zwei Nachrichten, die ihn
frustrierten. Zum einen würde das Ergebnis der Untersuchung der zuletzt
gefundenen Grillanzünder noch auf sich warten lassen, bislang hatten die
Spezialisten der KTU nur seine Vermutung
bestätigt, dass es sich bei den Fabrikaten, die für die beiden Autobrände in
der Straße Am Spielberg benutzt worden waren, tatsächlich um unterschiedliche
Marken handelte, aber das sah auch ein Blinder mit Krückstock, wie Stöffel es
so schön formuliert hatte. Der Bericht folge so bald wie möglich, hatte es
geheißen. Diesen Satz haben die Jungs aus der Technik wahrscheinlich als
praktischen Stempel vorliegen, dachte Becker grimmig, denn der stand praktisch
unter jeder Korrespondenz. Mit Sicherheit gab es längst auch ein digitales
Pendant für die Online-Kommunikation, die Becker immer mehr Angst machte. Er
musste daran denken, dass die Formulierung »so bald wie möglich« im
Amerikanischen meist »asap«, »as soon as possible« ,
abgekürzt wurde. Das wusste er aus der Korrespondenz mit einem amerikanischen
Kollegen, der sich im letzten Jahr aus Phoenix, Arizona, bei ihm gemeldet hatte
und um Unterstützung bei einer Fahndung nach einem Hochstapler gebeten hatte.
Becker erinnerte sich nicht mal mehr genau, worum es damals gegangen war, es
hatte sich auch irgendwann in Wohlgefallen aufgelöst – wobei man im Fall des
Gesuchten kaum von Wohlgefallen sprechen konnte, denn der war irgendwann ganz
woanders wieder aufgetaucht, und zwar tot. Jedenfalls hatte dieser Amerikaner –
District Deputy Earl Hofert, den Namen wusste Becker noch – auch immer alles
»asap« wissen und geschickt haben wollen und sich immer so ausschweifend und
freundlich für die Unterstützung bedankt, dass Becker schon fast gedacht hatte,
er habe einen neuen besten Freund gefunden, den er bei seiner geplanten USA -Reise gleich mal besuchen könnte. Doch wie so oft
bei der oberflächlichen Freundlichkeit der Amerikaner hatte sich der Kontakt
sofort erledigt, als die Geschichte gelöst war. Auf Beckers Mails antwortete
der Deputy noch einmal voller Allgemeinplätze und dann gar nicht mehr. Erst
später hatte Becker verstanden, dass das meist so lief mit Freundschaften in
den USA , die eher den Charakter von
Facebook-Freunden hatten.
Diese Gedanken hatten Becker natürlich auf seinen Urlaub gebracht,
den er eigentlich diese Woche hatte buchen wollen, zumindest die Flüge. Doch da
kam die zweite Nachricht des Tages ins Spiel, und die war noch frustrierender:
Der Tod des Landespolitikers hatte zur Anordnung einer sofortigen Obduktion
geführt, und Becker war in die zur weiteren Untersuchung gegründete SOKO entsandt worden. Jetzt ging es nicht mehr nur um
Amtshilfe, man erwartete von ihm vollen Einsatz in Düsseldorf und Mönchengladbach. Und am besten sollte er den Fall
aufklären. Seinen eigentlich abgesprochenen Urlaub hatte sein Vorgesetzter in
diesem Zusammenhang natürlich nicht mal erwähnt. Wenn Becker danach gefragt
hätte, wäre nur die übliche Frage gefolgt – »War das mit mir abgestimmt?« – und
die dringende Bitte, die privaten Pläne doch »nur dieses eine Mal« zu
verschieben. Der Staatsanwalt sei dafür auch sehr dankbar und würde sich
bestimmt erkenntlich zeigen, irgendwann. Das hieß nicht mehr und nicht weniger,
als dass dem Staatsanwalt die Parteifreunde des Toten – und damit Teile der
Landesregierung – im Nacken saßen und Becker irgendwann ein vorgefertigtes
Dankesschreiben erhalten würde, zusammen mit einem Kugelschreiber der
Staatsanwaltschaft oder einem uralten Werbe-Kaffeebecher: »Die Polizei, dein
Freund und Helfer«.
Und natürlich würden auch die Ergebnisse der Obduktion noch auf sich
warten lassen. Wenigstens hatte er jetzt aber eine Kopie des gesamten Vorgangs
auf dem Tisch liegen.
SIEBEN
Noch bevor Rosenmair sich auf den Weg zu der
Hausbesichtigung machte, um das Maklerschild wieder an die richtige Stelle zu
stecken, erwachte Rolf Kolbich im Krankenhaus in Mönchengladbach aus dem Koma.
Das Erste, was er erblickte, war seine neben ihm sitzende Frau. Er lächelte sie
an, drückte ihre Hand und schloss wieder die Augen.
Die herbeigerufenen Ärzte machten Frau Kolbich vorsichtig Hoffnung,
dass das Schlimmste nun überstanden sein könnte. Weitere Untersuchungen müssten
aber erst zeigen, ob Schwellungen im Kopf entstanden waren, die vielleicht auf
das Gehirn drückten. Und man konnte immer noch nicht sagen, ob und welche
Folgeschäden sich einstellen würden. Die
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