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Das letzte Koenigreich

Das letzte Koenigreich

Titel: Das letzte Koenigreich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernard Cornwell
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betrübt den Kopf, setzte sich aber zu uns und bestellte auch für sich einen Krug Ale. Er streckte die Hand aus, zog an der Lederschnur, die mir um den Hals hing, und brachte den unter meinem Wams versteckten Hammer zum Vorschein. Wieder schüttelte er den Kopf und sagte: «Du hast mich belogen, Uhtred. Nach deiner Flucht vor Pater Willibald haben wir Erkundigungen eingeholt. Du bist nie in Gefangenschaft gewesen. Im Gegenteil, du warst Ragnar wie ein Sohn.»
    «Ja», bestätigte ich.
    «Warum bist du nicht zu uns gekommen, sondern bei den Dänen geblieben?»
    Ich lächelte. «Was hätte ich bei Euch gelernt?», fragte ich, ließ ihn aber gar nicht erst zu Wort kommen. «Ihr wolltet einen Gelehrten aus mir machen», sagte ich. «Bei den Dänen bin ich jedoch ein Krieger geworden, und Krieger werdet Ihr nötig haben, wenn sie zurückkommen.»
    Beocca verstand, zeigte sich aber immer noch bekümmert und sagte mit einem Blick auf Brida: «Und du? Ich hoffe, du hast nicht gelogen.»
    «Ich sage immer die Wahrheit, Pater», erklärte sie mit dünner Stimme. «Immer.»
    «Das ist gut.» Er streckte erneut die Hand aus und versteckte mein Amulett wieder. «Bist du Christ, Uhtred?»
    «Ihr habt mich doch selbst getauft, Pater», antwortete ich ausweichend.
    «Wir werden die Dänen nur dann schlagen können, wenn wir an unserem Glauben festhalten», sagte er mit ernster Miene. Dann lächelte er und fragte: «Wirst du tun, was Alfred von dir will?»
    «Ich weiß nicht, was er will. Bevor er mir das sagen konnte, ist er weggelaufen, um sich die Knie wund zu scheuern.»
    «Er will, dass du auf einem seiner Schiffe das Kommando führst», sagte er. Ich war sprachlos. «Wir bauen Schiffe, Uhtred», fuhr Beocca begeistert fort, «Schiffe, um die Dänen zu bekämpfen. Aber unsere Seemänner sind keine Kämpfer. Sie fischen oder sind als Händler unterwegs. Darum brauchen wir Männer, die ihnen das Kriegshandwerk beibringen können. Die Dänen fallen ständig raubend über unsere Küsten her. Mal kommen sie mit zwei Schiffen, mal mit dreien, und manchmal sind es noch mehr. Sie plündern, morden, machen Gefangene und verschwinden wieder. Hätten wir selbst Schiffe, könnten wir uns wehren.» Er schlug mit der Faust seiner verkümmerten linken Hand in die rechte und japste vor Schmerz. «Das ist es, was Alfred will.»
    Ich warf Brida einen Blick zu, und ihr Achselzucken war das Zeichen dafür, dass sie Beocca glaubte.
    Ich dachte an die A Ethelreds, Vater und Sohn, und deren Abneigung gegen mich, erinnerte mich an die Freuden der Seefahrt, an die vom Wind geblähten Segel, an die in der
    Sonne glitzernden Wellen, an die Lieder der Ruderer, an das Hochgefühl, das Steuer in der Hand halten zu dürfen, und an die vor dem Bug aufschäumende Gischt über grüner Dünung. «Dazu wäre ich gern bereit», sagte ich.
    «Gott sei gelobt», sagte Beocca. Und warum auch nicht?
    Bevor ich Wintanceaster verließ, traf ich A Ethelflaed, die damals drei oder vier Jahre alt war. Sie hatte helle, goldene Haare, war sehr redselig und spielte mit einer Lumpenpuppe im Garten. Alfred leistete ihr Gesellschaft, und ich weiß noch, dass A Elswith Sorge hatte, er könne das Kind zu sehr aufregen. Ich erinnere mich noch an ihr Lachen. Dieses Lachen hat sie nie verloren. Alfred war gut zu ihr, denn er liebte seine Kinder. Er zeigte sich meist ernst und sehr gefasst, konnte aber in Gesellschaft kleiner Kinder geradezu ausgelassen werden. Fast hätte ich ihn gemocht, als ich dabei zusah, wie er die Puppe hinter seinem Rücken versteckte, um A Ethelflaed zu necken. Ich erinnere mich auch daran, wie sie auf Nihtgenga zulief und ihn streichelte, bis sie von A Elswith zurück gerufen wurde. «Das ist ein dreckiger Köter», schalt sie ihre Tochter, «bei dem holst du dir bloß Flöhe oder Schlimmeres. Komm her!» Sie bedachte Brida mit einem abfälligen Blick und zischte: «Scraette!» Das Wort bedeutet Hure, doch Brida und auch Alfred taten so, als hätten sie es nicht gehört. Mich beachtete A Elswith gar nicht, aber das war mir gleich. Auf Alfreds Geheiß waren von einem Palastdiener ein Helm und ein Kettenhemd in den Garten gebracht worden. Beides lag vor mir im Gras. «Für dich, Uhtred», sagte Alfred.
    Der Helm, von einem Schwerthieb am Scheitel eingebeult, war mit Sand und Essig poliert worden, sodass das
    Eisen hell glänzte. Die zwei Sichtlöcher im Visier starrten wie die Augenhöhlen eines Totenschädels. Das Kettenhemd war an der Stelle, wo das Herz

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