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Das letzte Koenigreich

Das letzte Koenigreich

Titel: Das letzte Koenigreich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernard Cornwell
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Süden lenkte, bis zur fernen Küste Englands, der Grenze meiner Muttersprache. Diese Strecke legte ich als Junge zurück. Als Mann sollte ich die gegenläufige Richtung einschlagen, nach Norden ziehen und mir meine Rückkehr an den Ausgangspunkt mit Schwert, Speer und Streitaxt bahnen. Die Spinnerinnen unserer Schicksalsfäden waren mir hold, sie schonten mich und sie ließen mich eine Zeit lang zur See fahren.
    Im Jahre 874, als ich mit meinem Kettenhemd und meinem Helm loszog, floh König Burghred nach Rom. Alfred erwartete Guthrums Angriff im kommenden Frühjahr, doch kam es weder im Frühling noch im Sommer dazu.
    Im Jahr 875 blieb dem Land Wessex ein Überfall erspart. Guthrum hätte angreifen sollen, doch er war ein vorsichtiger Mann, der stets mit dem Schlimmsten rechnete. Er verwendete volle achtzehn Monate darauf, das größte Dänenheer aufzustellen, das jemals auf englischem Boden gestanden hatte. Dagegen nahm sich die Große Armee, die gegen Readingum marschiert war, geradezu winzig aus. Mit seinem Heer wollte Guthrum seinen Traum wahr machen, Wessex zu erobern und alle Engländer bis auf den letzten Mann zu töten. Als er sich in Bewegung setzte, durchtrennten die drei Spinnerinnen Englands Schicksalsfäden, einen nach dem anderen, bis es nur noch an einem hauchdünnen Fädchen hing. Doch diese Geschichte muss warten. Ich erwähne sie nur, um zu erklären, warum wir die Zeit hatten, uns vorzubereiten.
    Mich verschlug es auf die Heahengel, was Erzengel bedeutet und der Name meines Schiffs war. Es gehörte natürlich nicht mir. Sein Meister hieß Werferth. Er hatte ein plumpes Handelsschiff gesteuert, ehe ihm das Kommando über die Heahengel angetragen worden war. Die Kämpfer an Bord wurden von einem bärbeißigen alten Kerl namens Leofric angeführt. Und ich? Ich war nur Dreck in diesem Butterfass.
    Man brauchte mich nicht. Alfreds schmeichelnde Worte, mit denen er mir in Aussicht gestellt hatte, seine Seemänner zu Kämpfern auszubilden, waren eben nur Worte gewesen. Ich hatte mich von ihm überreden lassen und zum einjährigen Dienst in seiner Flotte verpflichtet, und so war ich nun in Hamtun, einer schönen Hafenstadt an der Spitze eines tief ins Landesinnere reichenden Meeresarms. Auf Alfreds Befehl wurden zwölf Schiffe gebaut. Die Aufsicht führte ein Schiffsbauer, der als Ruderer auf einem dänischen Schiff gedient hatte, dann ins Frankenland geflohen und schließlich nach England zurückgekehrt war. Es gab nichts, was ich ihm über den Schiffskampf hätte beibringen können, zumal es sich dabei um eine recht einfache Sache handelte. Ein Schiff ist eine winzige schwimmende Insel, und deshalb ist der Kampf an Bord eines Schiffes nichts anderes als eine Landschlacht zur See. Zwei Boote stoßen zusammen, die Mannschaften bilden einen Schildwall und schlagen aufeinander ein. Unser Schiffsbauer aber war ein kluger Mann. Er hatte die Erfahrung gemacht, dass größere Schiffe kleineren gegenüber im Vorteil waren, weil sie mehr Männer aufnehmen konnten und mit ihren hohen Bordwänden eine Art Schutzwall bildeten. Darum ließ er zwölf große Schiffe bauen, die mir auf den ersten Blick recht seltsam erschienen, da ihnen jeglicher Schmuck an Vorder- und Hintersteven fehlte. Stattdessen trugen sie Kruzifixe an den Masten. Den Oberbefehl über die gesamte Flotte führte Aldermann Hacca, der Bruder des Aldermanns von Hamptonscir. Als ich mich ihm vorstellte, sagte er mir nur, dass ich mein Kettenhemd in einen geölten Sack stecken solle, damit es nicht roste. Dann überließ er mich Leofric.
    Der verlangte von mir, dass ich ihm meine Hände zeigte. Er musterte sie, verzog das Gesicht und sagte: «Die sind bald voller Blasen, Earsling.»
    Earsling war sein Lieblingswort. Es bedeutet «Arschloch». Dafür hielt er mich. Manchmal nannte er mich auch Endwerc, was «Gesäßschmerz» bedeutet. Er machte mich zu einem der sechzehn Ruderknechte auf baecbord, das ist die, in Fahrtrichtung gesehen, linke Schiffsseite. Die andere heißt steorbord, weil auf dieser Seite das Steuerruder befestigt ist. Wir hatten sechzig Kämpfer an Bord, von denen sich immer zweiunddreißig mit dem Rudern abwechselten, es sei denn, das Segel wurde gehisst. Während Werferth am Steuer stand, ging Leofric zwischen den Ruderbänken auf und ab und sah zu, dass wir uns mit aller Kraft in die Riemen legten.
    Den ganzen Herbst und Winter über ruderten wir auf dem weiten Meeresarm hin und her und bis auf den Solent hinaus, wie das Meer

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