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Das letzte Koenigreich

Das letzte Koenigreich

Titel: Das letzte Koenigreich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernard Cornwell
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verströmte. Nihtgenga hob gerade sein Bein vor einem der blühenden Büsche, als hinter uns eine Stimme ertönte: «Die Römer haben diesen Hof erbaut.»
    Ich drehte mich um und sah Alfred. Ich beugte mein Knie, wie es sich vor einem König gehört, doch er hieß mich mit einer Handbewegung aufstehen. Er war ohne Begleitung und trug wollene Strümpfe, Stiefel mit hohen Schäften und ein einfaches Leinenhemd, das am rechten Ärmel einen Tintenfleck hatte. «Sei willkommen, Uhtred», grüßte er.
    «Danke, Herr», entgegnete ich und wunderte mich darüber, dass er allein war. Ich hatte ihn nie gesehen, ohne dass ihn eine Schar Priester umringt hätte.
    «Du auch, Brida», sagte er. «Ist das dein Hund?»
    «Ja, das ist er», antwortete sie trotzig.
    «Ein gutes Tier. Kommt.» Er führte uns durch eine Tür in einen Raum, der allem Anschein nach seine Privatkammer war. Mein erster Blick fiel auf ein Stehpult, an dem er offenbar zu lesen und zu schreiben pflegte. Darauf befanden sich vier in Haltern steckende Kerzen, die jedoch, weil es hell war, nicht brannten. Auf einem kleinen Tisch stand eine mit Wasser gefüllte Schale, in der er sich die Tinte von den Händen waschen konnte. Außerdem waren da ein mit Lammfellen bedecktes Bett, ein Stuhl, auf dem sich sechs Bücher und etliche Pergamentbögen stapelten, und ein niedriger Altar mit einem Kruzifix aus Elfenbein und zwei edelsteinbesetzte Reliquienbehälter. Alfred räumte zwei Teller mit Essensresten aus der Fensternische, um selbst darin Platz zu nehmen, und machte sich daran, Gänsekiele zurecht zuschneiden. «Es freut mich, dass du gekommen bist», sagte er milde. «Ich wollte dich nach dem Abendessen aufsuchen, sah dich aber im Garten und dachte, dass wir auch jetzt miteinander sprechen könnten.» Er lächelte, und ich, ungehobelt, wie ich war, blickte finster drein. Brida hockte, Nihtgenga dicht bei sich, neben der Tür.
    «Aldermann A Ethelred berichtet, dass du ein bemerkenswerter Kämpfer bist, Uhtred.»
    «Ich hatte Glück, Herr.»
    «Glück zu haben ist gut, das jedenfalls sagen meine Soldaten. Vielleicht wäre es lohnend, eine Theologie des Glücks auszuarbeiten. Kann es so etwas wie Glück geben, wenn davon auszugehen ist, dass Gott lenkt?» Er sah mich mit grüblerisch in Falten gelegter Stirn an und schien über diesen offenkundigen Widerspruch nachdenken zu wollen, sparte sich dieses Vergnügen dann jedoch für eine andere Gelegenheit auf. «Es war vermutlich falsch von mir, dir eine Ausbildung zum Priester anzuempfehlen, nicht wahr?»
    «Eine Empfehlung ist nie falsch, Herr», entgegnete ich, «aber ich selbst wollte keinesfalls Priester werden.»
    «Also bist du fortgelaufen. Warum?»
    Ich glaube, er rechnete mit einer verlegenen Ausrede, doch ich antwortete mit der Wahrheit. «Ich bin gegangen, um mein Schwert zu holen.» Mir wäre es auch in diesem Moment lieber gewesen, Schlangenhauch griffbereit am Gurt zu tragen, doch die Palastwache hatte darauf bestanden, dass ich alle Waffen ablegte, selbst mein kleines Messer, das ich zum Essen gebrauchte.
    Er nickte ernst, als sei das eine vernünftige Begründung. «Ist es ein besonderes Schwert?»
    «Das beste auf der Welt, Herr.»
    Er lächelte über meine jugendliche Begeisterung. «Du bist also zu Graf Ragnar zurückgekehrt.»
    Ich sagte darauf nichts und nickte bloß.
    «Er hat dich nicht gefangen gehalten, Uhtred», stellte Alfred fest. «Du warst nie seine Geisel, sondern vielmehr eine Art Sohn für ihn, stimmt das?»
    «Ich habe ihn geliebt», platzte ich heraus.
    Er starrte mich an, und mir wurde ganz unbehaglich. Seine sehr hellen Augen vermittelten mir das Gefühl, vor Gericht zu stehen. «In Eoferwic wird aber davon geredet, dass du ihn getötet hast», fuhr Alfred mit ruhiger Stimme fort.
    Jetzt war ich es, der ihn anstarrte. Ich war wütend, verblüfft und so verwirrt, dass mir die Worte fehlten. Aber warum war ich so überrascht? Was sollte Kjartan sonst behaupten? Es sei denn, dachte ich, dass er mich für tot hielt, oder zumindest hoffte ich das.
    «Alles Lüge», sagte Brida.
    «Wirklich?», fragte mich Alfred mit nach wie vor milder Stimme.
    «Alles Lüge», bestätigte ich wütend.
    «Ich glaube dir», sagte er. Er legte die Gänsekiele und das Messer beiseite, beugte sich über die Pergamente, die auf den Büchern lagen, und blätterte darin, bis er gefunden hatte, wonach er suchte. Er überflog den Text, der auf dem Blatt geschrieben stand. «Kjartan? Spreche ich den Namen richtig

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