Das letzte Koenigreich
südlich der Insel Wiht genannt wurde. Wir kämpften mit Wind und Wetter und trieben die Heahengel durch harte Wellen, bis wir als Mannschaft aufeinander eingespielt waren und das Schiff übers Wasser springen lassen konnten. Zu meiner Überraschung war die Heahengel ein sehr schnelles Schiff. Ich hatte angenommen, dass sie bei ihrer Größe viel langsamer sein müsste als dänische Schiffe. Tatsächlich aber war sie äußerst schnell, und Leofric machte aus ihr eine tödliche Waffe.
Er konnte mich nicht leiden, und dass er mich einen Earsling und Endwerc schimpfte, musste ich mir gefallen lassen, denn hätte ich ihm die Stirn geboten, wäre es um mich geschehen gewesen. Er war gedrungen, stark wie ein Ochse und ebenso leicht reizbar. Sein Gesicht war vernarbt und sein Schwert bis auf die Breite eines Messers abgewetzt, was ihn jedoch nicht weiter störte, weil er ohnehin die Streitaxt als Waffe bevorzugte. Er wusste um meinen Stand als Aldermann, aber auch das kümmerte ihn nicht, ebenso wenig wie der Umstand, dass ich früher auf einem dänischen Schiff gedient hatte. «Das Einzige», sagte er, «was wir von den Dänen lernen können, Earsling, ist, wie man stirbt.»
Nein, er konnte mich nicht leiden. Ich aber mochte ihn. Wenn wir abends eine der Schänken von Hamtun aufsuchten, setzte ich mich immer in seine Nähe, um ihm zuzuhören. Dabei sagte er nicht viel, und das wenige war meist verächtlich. An allem nahm er Anstoß, selbst au Flotte. «Zwölf Schiffe!», knurrte er. «Und wie viel« den Dänen zur Verfügung?» Niemand antwortete.
«Zweihundert?», schätzte er. «Und wir haben zwölf!
Brida brachte ihn einmal dazu, von seinen Kämpfen zu berichten, die alle auf festem Boden stattgefunden hatten. Er erzählte von der Schlacht auf A Escs Hügel und davon, dass dort ein einziger Mann, offenbar er selbst, mit seiner Axt den dänischen Schildwall aufgebrochen hatte. Dieser Mann habe, so sagte er, den Axtschaft meist in der Mitte gehalten, was zwar auf Kosten der Schlagkraft gehe, aber den Vorteil habe, dass die Klinge nach dem Hieb schneller zurückgeholt werden könne. Und er schilderte, wie der besagte Mann den Feind zur Linken mit dem Schild abgewehrt, dann den Mann vor ihm und den zur Rechten getötet und schließlich in wuchtigen Rundumschlägen mit der Axt, diesmal am Schaftende gehalten, die Reihen der Dänen gelichtet habe. Er sah, dass ich aufmerksam zuhörte, und erkundigte sich spöttisch: «Schon mal in einem Schildwall gestanden, Earsling?»
Ich hielt einen ausgestreckten Finger in die Luft.
«Er hat den feindlichen Schildwall durchbrochen», sagte Brida. Wir beide hausten im Stall der Schänke. Leofric mochte Brida, verweigerte ihr aber den Zutritt zur Heahengel, weil er glaubte, dass Frauen einem Schiff Unheil brachten. «Ich hab es mit eigenen Augen gesehen.»
Er stierte mich an und schien unschlüssig, ob er ihr glauben sollte. Ich sagte nichts. «Gegen wen habt ihr gekämpft?» Und nach einer kurzen Pause: «Nonnen?»
«Waliser», antwortete Brida.
«Ah, Welsche! Himmel, die zu töten ist ein Kinderspiel», sagte er, was nicht stimmte, doch auf diese Weise pflegte er seinen Groll gegen mich. Als wir am nächsten Morgen mit Holzknüppeln anstelle echter Waffen zu kämpfen übten, legte er es darauf an, mich zum Gegner zu haben. Er hatte mich im Handumdrehen bezwungen, brachte mir eine Platzwunde am Kopf bei und ließ mich benommen am Boden zurück. «Ich bin kein Welscher, Earsling», sagte er. Ich mochte Leofric sehr.
Der Jahreswechsel kam. Ich wurde achtzehn. Das große dänische Heer rückte nicht an, doch ihre Schiffe kreuzten auf. Die Dänen waren wieder Wikinger. Mit ihren Drachenschiffen, einzeln oder zu zweit, fielen sie über die Küste von Wessex her, raubten, brandschatzten und töteten. Doch in diesem Jahr waren auch Alfreds Schiffe bereit.
Also stachen wir in See.
ACHT
Im Frühjahr, Sommer und Herbst des Jahres 875 ruderten wir vor der Südküste von Wessex auf und ab. Wir bildeten vier Flottillen. Leofric kommandierte die Heahengel, Ceruphin und Cristenlic. Auf diese Namen, Erzengel, Cherubim und Christ, hatte Alfred die Schiffe getauft. Hacca, der die gesamte Flotte anführte, segelte auf der Evangelista, der bald der Ruf eines Unglücksschiffs anhing, obwohl der eigentliche Pechvogel an Bord Hacca selbst war. Er war ein durchaus freundlicher Kerl und sehr großzügig mit seinem Silber, verabscheute aber alle Schiffe und das Meer und sehnte sich immer nach festem
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