Das letzte Koenigreich
aus?»
Ich wies ihn darauf hin, dass das J wie ein I ausgesprochen wurde.
«Inzwischen Graf Kjartan», sagte Alfred. «Er wird als hoher Herr geachtet und besitzt vier Schiffe.»
«Das steht da geschrieben?», fragte ich.
«Ja. Alles, was ich über meine Feinde in Erfahrung bringe, wird schriftlich festgehalten», antwortete Alfred.
«Deshalb habe ich dich hergebeten. Damit du mir noch mehr berichtest. Wusstest du, dass Ivar der Knochenlose tot ist?»
Meine Hand fuhr unwillkürlich an mein Amulett, das ich unter dem Wams trug. «Nein. Tot?» Ich konnte es kaum glauben. Meine Ehrfurcht Ivar gegenüber war so groß, dass ich ihn wohl für unsterblich hielt. Doch Alfred sprach die Wahrheit. Ivar der Knochenlose war tot.
«Er fiel im Kampf gegen die Iren», erklärte Alfred. «Ragnars Sohn ist mit seinen Männern nach Northumbrien zurückgekehrt. Wird er Kjartan angreifen?»
«Wenn er erfährt, dass Kjartan seinen Vater ermordet hat, reißt er ihm die Eingeweide heraus», antwortete ich.
«Graf Kjartan hat geschworen, dass er in dieser Sache unschuldig ist.»
«Er lügt.»
«Er ist Däne», sagte Alfred, «und die halten es mit der Wahrheit nie so genau.» Er strafte mich mit seinem Blick für all die Lügen, die ich ihm aufgetischt hatte. Dann stand er auf und lief in der kleinen Kammer auf und ab. Er hatte mich gebeten, ihm von den Dänen zu berichten, doch nun setzte er mich von den neuen Entwicklungen in Kenntnis. König Burghred von Mercien, sagte er, sei der dänischen Bevormundung überdrüssig und habe beschlossen, nach Rom zu fliehen.
«Nach Rom?»
«Ich war als Kind selbst zweimal dort», antwortete er. «Ich erinnere mich an eine schrecklich heruntergekommene Stadt.» Er sagte dies in strengem Ton. «Immerhin fühlt man sich dort Gott sehr nahe. Ein guter Ort zum Beten. Burghred ist ein schwacher Mann, hat aber sein Bestes getan, um das Leid, das die dänische Herrschaft mit sich bringt, zu lindern. Wenn er fort ist, werden die Dänen jeden Winkel seines Landes bevölkern und nicht zuletzt an unserer Grenze siedeln. Sie werden in Cirrenceastre sein.» Er schaute mich an. «Kjartan weiß, dass du lebst.»
«Wirklich?»
«Sicher. Die Dänen haben Kundschafter wie wir auch.» Und Alfreds Kundschafter, so wurde mir klar, schienen besonders viel herauszufinden, denn er war gut informiert. «Und kümmert es Kjartan, dass du noch lebst?», fuhr er fort. «Wenn du die Wahrheit über Ragnars Tod sagst, Uhtred, dann kümmert es ihn, denn sie widerspricht seinen Lügen. Und wenn Ragnar diese Wahrheit von dir erfährt, muss Kjartan um sein Leben fürchten. Es muss ihm also daran gelegen sein, dich zu töten. Das solltest du wissen, falls du eine Rückkehr nach Cirrenceastre in Erwägung ziehst. Denn dort haben die Dänen», er hielt inne, «Einfluss. In Wessex wärst du in Sicherheit. Aber wie lange wird Wessex standhalten?» Offenbar erwartete er keine Antwort, und er schritt weiter auf und ab. «Ubba hat Krieger nach Mercien geschickt, was darauf hindeutet, dass er folgen wird. Bist du Ubba schon einmal begegnet?»
«Mehr als einmal.»
«Erzähl mir von ihm.»
Ich erzählte, was ich wusste, sagte, dass Ubba ein großer Krieger sei, und erwähnte auch seinen Aberglauben, was Alfred sehr neugierig machte. Er wollte mehr über den Zauberer Storri und die Runenstäbe erfahren. Ich berichtete, dass Ubba nie aus Lust und Laune in den Kampf zog, sondern nur, wenn ihm die Runenstäbe einen günstigen Ausgang verhießen, dann aber würde er mit schrecklichem Jähzorn kämpfen. Alfred schrieb alles, was ich sagte, auf und fragte, ob mir auch Halfdan begegnet sei, was ich bejahte.
«Halfdan will Ivar rächen», sagte Alfred. «Also wird er vermutlich nicht nach Wessex kommen, jedenfalls nicht so bald. Aber selbst, wenn er in Irland bleibt, haben wir hier noch viele Heiden gegen uns.» Alfred hatte, wie er mir sagte, schon in diesem Jahr mit einem Angriff gerechnet, wozu es aber wegen der schlechten Vorbereitung der Dänen nicht gekommen war. «Dieser Zustand wird allerdings nicht andauern», sagte er. «Vermutlich kommen sie im nächsten Jahr, angeführt von Ubba.»
«Oder von Guthrum», bemerkte ich.
«Ich habe ihn nicht vergessen. Er hält sich zurzeit in Ostanglien auf.» In Erinnerung an Bridas Geschichte über Edmund warf er ihr einen vorwurfsvollen Blick zu. Sie aber blieb ungerührt und betrachtete ihn aus halb geschlossenen Augen. «Was weißt du über Guthrum?», fragte er mich.
Wieder gab ich ihm
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