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Das letzte Koenigreich

Das letzte Koenigreich

Titel: Das letzte Koenigreich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernard Cornwell
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ebenfalls für töricht hielt, sich mit zwölf schlecht bemannten Schiffen einem seegestützten Einmarsch entgegen zu stemmen. «Falls ich bleibe», fragte ich, «welchen Nutzen hätte ich, wenn sich unsere Schiffe angesichts einer solchen Übermacht nicht aus dem Hafen wagen könnten?»
    «Du hast Recht, Uhtred», sagte Alfred, was darauf schließen ließ, dass der Streit mit Leofric eine andere Ursache hatte. «Aber die Mannschaften können auch an Land kämpfen. Leofric sagt, dass du einer der besten Kämpfer bist, die er je zu Gesicht bekommen hat.»
    «Er hat sich ja auch noch niemals selbst gesehen, Herr.»
    «Komm zu mir, wenn dein Jahr vorüber ist», sagte er. «Ich werde einen Platz für dich finden.»
    «Ja, Herr», entgegnete ich in einem Tonfall, der lediglich bestätigte, dass ich ihn verstanden hatte, aber offen ließ, ob ich seinem Wunsch auch Folge leisten würde.
    «Folgendes solltest du aber wissen, Uhtred», sagte der König ernst. «Wer meine Truppen kommandiert, muss lesen und schreiben können.»
    Ich hätte fast aufgelacht. «Damit er die Psalmen lesen kann?», spottete ich.
    «Damit er meine Befehle lesen und mir Nachrichten schreiben kann», erklärte Alfred kühl.
    «Ja, Herr.»
    Im Gewässer vor Hamtun waren Leuchtfeuer entzündet worden, die uns den Weg wiesen. Auf den Wellen schimmerte das Licht des Mondes und der Sterne, als wir vor Anker gingen. Überall brannten Lichter und Kaminfeuer. Es wurde gegessen und viel gelacht. Das Beste für mich aber war die Aussicht, am nächsten Tag Ragnar wieder zusehen.
    Mit seiner Rückkehr nach Heilincigae riskierte Ragnar viel. Vielleicht hatte er aber auch vorhergesehen, dass sich unsere Mannschaften nach dem Kampf erholen mussten. Verwundete mussten behandelt und Waffen geschärft werden, und so fuhr an diesem Tag keines unserer Schiffe aufs Meer hinaus.
    Brida und ich ritten nach Hamanfunta, einer Ortschaft, deren Bewohner vom Aalfang, Fischen und vom Salzanbau lebten. Für den Bruchteil einer Münze konnten wir unsere Pferde unterstellen, und ein Fischer erklärte sich bereit, uns nach Heilincigae hinauszubringen, wo kein Mensch mehr wohnte, weil die Dänen alle Inselbewohner getötet hatten. Der Fischer wollte nicht auf uns warten, er fürchtete sich vor Geistern, die, wie er glaubte, des Nachts heulend und seufzend umgingen, versprach aber, uns am nächsten Morgen abzuholen.
    Brida, Nihtgenga und ich wanderten über die verlassene Insel. Wir kamen an ausgebrannten Hütten vorbei, deren Bewohner einst, ehe die Wikinger kamen, dem Meer und dem Haff ein kärgliches Leben abgerungen hatten, und erreichten den Schauplatz des Kampfes vom Vortag, wo sich immer noch Schwärme von Möwen an den Gefallenen weideten. Als die Sonne sank, trugen wir halb verkohltes Holz ans Ufer und machten ein Feuer. Die Flammen loderten hoch auf, und es dauerte nicht lange, da zeigte sich vor dem dämmrigen Himmel ein Schiff, das auf uns zusteuerte. Vom letzten Tageslicht berührt, blinkte der vergoldete Tierkopf über dem Bug der Windviper.
    Ich betrachtete sie und dachte an all die Schrecken, die ein Anblick wie dieser in England verbreitet hatte. An sämtlichen Wasserläufen, Häfen oder Flussmündungen fürchtete man sich vor diesen Schiffen und erflehte vom Himmel, von der Wut der Nordmänner verschont zu bleiben. Für mich aber gab es kaum ein schöneres Bild. Ich liebte die Windviper. Ihre Ruder wippten auf und ab. Ich hörte die Schäfte in ihren mit Leder verkleideten Löchern knarren und sah gerüstete Kämpfer im Vorschiff. Dann knirschte der Kiel über den Sand, und die langen Ruder blieben still.
    Ragnar legte die Leiter an. Alle dänischen Schiffe sind mit einer kurzen Leiter ausgestattet, damit die Männer auf einen Strand absteigen können. Langsam und als Einziger stieg Ragnar vom Schiff. Er war in voller Rüstung, trug Kettenhemd, Helm und Schwert und näherte sich unserem Feuer wie ein Krieger, der auf Rache aus ist. In drei Schritten Entfernung blieb er stehen und starrte mich durch die Augenlöcher seines Visiers an. «Hast du meinen Vater getötet?», fragte er rau.
    «Bei meinem Leben», antwortete ich, «bei Thor», ich zog das Hammeramulett hervor, «bei meiner Seele», fuhr ich fort, «das habe ich nicht.»
    Ragnar nahm den Helm ab und trat näher. Wir umarmten uns. «Ich wusste, dass du es nicht warst.»
    «Kjartan hat ihn umgebracht», sagte ich. «Wir haben es mit eigenen Augen gesehen.» Wir erzählten ihm die ganze Geschichte, wie wir im

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