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Das letzte Koenigreich

Das letzte Koenigreich

Titel: Das letzte Koenigreich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernard Cornwell
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Gewissheit, und anstatt mich für oder gegen seine Vorschläge zu entscheiden, kehrte ich in den Palast zurück, wo mir Merewenna begegnete. Sie war, wie sich herausstellte, die Magd, wegen der Alfred in jener Nacht im Feldlager vor Snotengaham Tränen vergossen hatte. Was ich von ihr wollte, wusste ich wenigstens, und es brachte mich danach auch nicht zum Weinen.
    Am nächsten Tag ritten wir auf Leofrics Drängen nach Cippanhamm.

NEUN

    Ihr, die ihr meine Geschichte lest, werdet euer Alphabet gelernt haben, also wahrscheinlich von irgendwelchen verdammten Mönchen oder Priestern arg gequält worden sein, bis ihr endlich lesen konntet. Ich bin zwar nicht geohrfeigt oder gar geprügelt worden, ich war ja kein Kind mehr, musste mir aber, als ich mich mit den Buchstaben herumärgerte, eine Menge Gehässigkeiten gefallen lassen. Hauptsächlich wurde ich von Beocca unterrichtet, der sich ständig darüber beklagte, dass ich ihn von seiner eigentlichen Arbeit abhielt: der Beschäftigung mit einem gewissen Swithun, der zur Zeit von Alfreds Kindheit Bischof von Winchester gewesen war. Über dessen Lebensgeschichte verfasste Beocca ein Buch, das von einem anderen Priester ins Lateinische übertragen wurde, weil Beocca diese Sprache nicht gut genug beherrschte. Die fertig übersetzten Seiten wurden nach Rom geschickt in der Hoffnung, dass Swithun heilig gesprochen würde. Alfred zeigte großes Interesse an diesem Werk. Er besuchte Beocca häufig in seiner Zelle und fragte, ob er, Beocca, wisse, dass Swithun das Evangelium auch den Forellen gepredigt und den Möwen Psalmen vorgesungen habe. Beocca griff solche Hinweise begeistert auf. Umso widerwilliger fuhr er dann, wenn Alfred gegangen war, mit dem Unterricht fort und zwang mich, irgendwelche Texte zu entziffern. «Lies laut», verlangte er von mir und stöhnte auf, sooft ich einen Fehler machte. «Nein, nein, nein! Das Wort heißt und bedeutet Schiffbruch erleiden.
    Es geht um den Apostel Paulus, Uhtred, er erleidet Schiffbruch. Was du da liest, ist etwas völlig anderes.»
    Ich schaute genauer hin. «Steht da nicht
    «Natürlich nicht!», antwortete er und wurde rot vor Empörung. «Das bedeutet doch ...» Er hielt inne und besann sich anscheinend darauf, dass er mir nicht Englisch beizubringen versuchte, sondern richtiges Lesen.
    «Hure», sagte ich. «Ich weiß, was das Wort bedeutet. Ich weiß sogar, wie viel eine Hure verdient. In Chads Schänke ist zum Beispiel eine Rothaarige, die ...»
    «Forliöan», unterbrach er mich, «das Wort heißt forli-öan. Lies weiter.»
    Es waren seltsame Wochen. Obwohl inzwischen ein erwachsener Mann und Krieger, kam ich mir in Beoccas Zelle wieder wie ein Kind vor, das mit den schwarzen Buchstaben kämpfte, die über das rissige Pergament krochen. Ich erfuhr vom Leben der Heiligen, und am Ende legte mir Beocca Auszüge aus seinem Werk über Swithun zum Lesen vor. Er erwartete Lob, doch ich zuckte nur mit den Schultern. «Könnten wir nicht etwas Interessanteres lesen?», fragte ich ihn.
    «Etwas Interessanteres?» Er starrte mich vorwurfsvoll aus seinem gesunden Auge an.
    «Über den Krieg vielleicht», schlug ich vor. «Oder über die Dänen. Über Schilde, Speere und Schwerter.»
    Er verzog das Gesicht. «So etwas gibt es, ja, in Versen verfasste Berichte, aber das sind grässliche Texte.» Er sah mich mit angewiderter Miene an. «Doch das hier» - er tippte mit dem Finger auf die Schriftrolle - «das ist wahrhaft geistvoll.»
    «Wie Swithun zerbrochene Eier wieder zusammensetzte? Das soll geistvoll sein?»
    «Eine heilige Handlung», entgegnete Beocca. «Jene alte, arme Marktfrau hatte nur diese Eier zu verkaufen, sie waren zerbrochen, und hätte der Heilige den Schaden nicht behoben, sodass sie, Gott sei gepriesen, die Eier verkaufen konnte, hätte sie Hunger leiden müssen.»
    «Aber es wäre doch einfacher gewesen, wenn Swithun ihr Geld zugesteckt oder eine Mahlzeit bezahlt hätte», entgegnete ich.
    «Er hat ihr aber lieber mit einer Wundertat geholfen und damit gleichzeitig die Macht Gottes unter Beweis gestellt.»
    «Ich würde gern einmal ein Wunder erleben», sagte ich in Erinnerung an König Edmunds Tod.
    «Das ist eine Schwäche an dir», bemerkte Beocca mit strenger Miene. «Dein Glaube müsste fester sein. Wunder machen es leicht, zu glauben, darauf sollte man nicht hoffen. Es wäre besser, auch ohne Wunder zu Gott zu finden.»
    «Wozu dann Wunder?»
    «Ach, lies weiter, Uhtred», stöhnte der

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