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Das letzte Koenigreich

Das letzte Koenigreich

Titel: Das letzte Koenigreich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernard Cornwell
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stellen, doch kein einziger Däne verließ die Stellung. Geduldig warteten sie hinter ihren Schilden, bis unsere Hörner wieder bliesen, worauf das Geschrei und das Trommeln abnahm und unser Heer vorrückte.
    Ich wurde ganz wild. Später, sehr viel später, verstand ich, warum die Männer zögerten, sich gegen den Schildwall zu werfen, zumal eine steile Böschung zu erklimmen war. Doch an jenem Tag brannte ich darauf, dass unser Heer die Dänen endlich niederrang. Wäre Beocca nicht eingeschritten, indem er mich am Zügel zurückhielt, hätte ich mich ins Getümmel gestürzt. «Wir warten, bis der Durchbruch gelungen ist», sagte er.
    «Ich will einen Dänen töten», protestierte ich.
    «Sei nicht töricht, Uhtred», entgegnete Beocca. «Solltest du das versuchen, wird dein Vater keinen Sohn mehr haben. Du bist jetzt sein einziges Kind, und es ist deine Pflicht, am Leben zu bleiben.»
    Also beugte ich mich der Pflicht, blieb zurück und sah zu, wie unsere Kämpfer allen Mut zusammennahmen und sich langsam, ganz langsam in Bewegung setzten. Der Fluss lag zu unserer Linken, das leere Lager rechts und die Lücke im Stadtwall direkt vor uns. Dort warteten die Dänen, die vorgehaltenen Schilde dicht an dicht.
    «Die Tapfersten gehen an der Spitze», sagte Beocca. «Dein Vater wird zu ihnen gehören. Sie werden einen Keil bilden, das, was die lateinischen Autoren einen porcinum capet nannten. Weißt du, was das bedeutet?»
    «Nein.» Es interessierte mich auch nicht.
    «Schweinekopf. Gemeint sind die Hauer eines Ebers. Die Tapfersten gehen in der ersten Reihe, und wenn sie durchbrechen, folgen die anderen.»
    Beocca hatte Recht. Ganz vorn in unseren Linien bildeten sich drei Keile, bestehend aus den Festungstruppen von Osbert, A Ella und meinem Vater. Die Männer standen so dicht beieinander, dass sich die erhobenen Schilde zu einem Dach zusammenfügten. Mit lautem Brüllen rückten sie vor. Ich hatte erwartet, dass sie rennen würden. Doch dazu waren sie in dieser Formation nicht in der Lage. Der Keil zwang sie zu langsamen Bewegungen, und den darin Eingeschlossenen blieb genügend Zeit, die Stärke des Feindes zu fürchten und sich zu fragen, ob die eigenen Mitstreiter wirklich folgten. Die drei Keile waren noch keine zwanzig Schritt vorgerückt, als sich die Masse der Männer hinter ihnen in Bewegung setzte.
    «Ich will weiter vor», sagte ich.
    «Du wirst warten», erwiderte Beocca.
    Ich hörte inzwischen lautes Geschrei, Rufe des Trotzes und Rufe, mit denen sich die Männer Mut machten. Die Bogenschützen auf dem Stadtwall ließen ihre Pfeile fliegen, und ich sah das Glitzern der Federn, als die Pfeile auf die Keilformationen zuschwirrten, wenig später gefolgt von Speeren, die auf die nach oben gerichteten Schilde zielten. Es erstaunte mich, dass keiner unserer Männer fiel, obwohl in ihren Schilden so viele Pfeile und Lanzen steckten, dass die Keile wie riesige Igel aussahen, die unbeirrt weiter vorrückten. Nun legten unsere Bogenschützen auf die Dänen an, und aus den Keilen lösten sich am hinteren Rand ein paar Männer, um ihre Speere gegen den feindlichen Schildwall zu schleudern.
    «Jetzt dauert es nicht mehr lange», sagte Beocca nervös. Er schlug zitternd mit der verkrüppelten Linken ein Kreuz vor der Brust und betete unhörbar.
    Ich beobachtete den Keil meines Vaters, den in der Mitte unter dem Wolfskopfbanner. Ich sah die eng aneinander gefügten Schilde im Graben verschwinden, der sich vor dem Erdwall erstreckte, ahnte, dass mein Vater dem Tod gefährlich nahe kam, und drängte ihn in Gedanken, zu siegen, zu töten und dem Namen Uhtred von Bebbanburg noch mehr Ruhm und Ehre zu bringen. Ich sah, wie der Keil einem monströsen Tier gleich wieder aus dem Graben auftauchte und die Böschung hinauf kroch.
    «Sie haben einen Vorteil», sagte Beocca in dem ruhigen
    Tonfall, den er immer anschlug, wenn er mich unterrichtete, «nämlich, dass ihnen, wenn sie von unten kommen, die Füße des Feindes ein leichtes Ziel sind.» Vielleicht versuchte er sich nur selbst zu beruhigen, doch ich glaubte ihm und sah seine Worte bestätigt, als die Formation meines Vaters, als erste auf dem Erdwall angelangt, Kontakt mit dem Feind aufnahm und nicht zurückgeworfen wurde. Jetzt waren nur noch blitzende Schwerthiebe zu erkennen, und ich hörte den Lärm, die wahre Kriegsmusik, das Schlagen von Eisen auf Holz, Eisen auf Eisen. Wie mit den messerscharfen Hauern eines Ebers fuhr der Keil in den Schildwall der Dänen, und

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