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Das letzte Koenigreich

Das letzte Koenigreich

Titel: Das letzte Koenigreich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernard Cornwell
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ich reglos inne und wartete. Ich spürte Wasser durch mein Kettenhemd rinnen und betete zu Hödur, Odins blindem Sohn und Gott der Nacht. Beschütze mich, flehte ich ihn an und bedauerte, ihm kein Opfer dargebracht zu haben. Ich dachte an Ealdwulf, der jetzt vielleicht auf mich herabschaute, und gelobte, alles daranzusetzen, dass er stolz auf mich sein konnte. Ich tat, was er sich immer von mir erhofft hatte. Ich zog mit Schlangenhauch gegen die Dänen zu Felde.
    Dann schlich ich weiter auf die Schiffe am Ufer zu. Noch war der Osthimmel schwarz. Ich ließ mir Zeit, kroch langsam auf dem Bauch voran, so langsam, dass mich wieder die Angst ergriff. Ich spürte einen Muskel im rechten Oberschenkel zittern, hatte Durst und empfand ein saures Gefühl im Magen. Immer wieder umfasste ich das Heft meines Schwertes in der Hoffnung, dass der von Ealdwulf und Brida in die Klinge geschmiedete Zauber seine Wirkung tat. Leg dich nie, niemals mit Ubba an, hatte Ravn gesagt.
    Der Osten war immer noch dunkel. Ich kroch weiter und war dem Meeresufer inzwischen so nahe, dass ich auf den Saefern- See hinausblicken konnte, dessen leicht gekräuselte Wellen im Mondlicht wie gehämmertes Silber schimmerten. Die Flut hatte eingesetzt und überspülte das Schlickufer. Von ihr gelockt, würden jetzt, so dachte ich, Lachsschwärme aus dem Pedredan zurück ins Meer ziehen, und wieder fuhr meine Hand unwillkürlich ans Schwertheft, als ich den Streifen festen Bodens erreichte, auf dem die Fischerkaten standen und wo die Schiffswachen postiert waren. Mein Schenkel bebte. Mir war elend.
    Doch der blinde Hödur hielt seine Hand über mich. Die Schiffswachen waren genauso wenig auf der Hut wie die Wachen am Fuße des Hügels. Was hätten sie auch fürchten sollen? Von Oddas Streitkräften, die in sicherer Entfernung lagerten, drohte keine Gefahr. Die Wachen waren im Grunde nur deshalb eingesetzt worden, weil die Dänen ihre Schiffe niemals unbeaufsichtigt ließen. Die meisten von ihnen hatten sich zum Schlafen in die Katen zurückgezogen, und um die kleinen Feuer hockten nur noch einige wenige Männer. Vielleicht schliefen auch sie halb, denn sie rührten sich kaum. Nur einer ging vor den hohen Steven der am Strand liegenden Schiffe auf und ab.
    Ich stand auf.
    Ich war ein Schattenwandler gewesen, doch nun befand ich mich auf dänischem Boden, hinter den feindlichen Wachen, legte die Kutte ab, wischte den Schmutz von der Rüstung und ging erhobenen Hauptes auf die Schiffe zu. Bei jedem Schritt machte der Schlick in meinen Stiefeln
    Geräusche, und als ich das Schiff am nördlichen Ende der Reihe erreicht hatte, warf ich meinen Helm in den Schatten des Rumpfes und wartete darauf, von dem einen Dänen, der seine Runde lief, entdeckt zu werden.
    Und was würde er sehen? Einen Mann in voller Rüstung, einen Herrn, einen Schiffsmeister, einen Dänen. An den Steven gelehnt, schaute ich zu den Sternen empor. Mein Herz hämmerte, meine Schenkel zitterten, und ich tröstete mich mit dem Gedanken, dass ich, sollte ich an diesem Morgen sterben, immerhin wieder mit Ragnar zusammen wäre. Bei ihm in Walhalla, es sei denn, er müsste, weil er nicht im Kampf gefallen war, in Niflheim schmachten, jener schrecklichen, kalten Hölle der Nordmänner, wo Het, die Göttin der Toten, durch dichten Nebel geistert und der Lindwurm Nidhögg an Leichen nagt. Nein, dachte ich, ein Mann, der im Feuer gestorben war, würde nach Walhalla, nicht nach Niflheim kommen. Ragnar war bestimmt bei Odin. Als ich Schritte hinter mir hörte, drehte ich mich um und sagte lächelnd: «Ein kühler Morgen.»
    «So ist es.» Es war ein älterer Mann mit zottigem Bart. Mein plötzliches Auftauchen erstaunte ihn, doch argwöhnisch schien er nicht.
    «Alles ruhig», bemerkte ich und deutete mit einem Kopfnicken nach Norden, um ihm weiszumachen, dass ich die Wachen am Fuße der dem Meer zugewandten Hügelseite gesprochen hatte.
    «Die Engländer haben Angst vor uns», erwiderte er.
    «Dazu haben sie auch allen Grund.» Ich tat so, als müsse ich gähnen, rückte von der Bordwand ab und gab vor, mir die Beine vertreten zu wollen. Scheinbar überrascht, machte ich ihn auf meinen Helm aufmerksam, der halb im Wasser lag, und fragte: «Was ist das?»
    Als er sich im Schatten des Schiffes über den Helm beugte, zog ich mein Messer, trat ganz nah zu ihm und trieb ihm die Klinge von unten in die Kehle. Ich schlitzte sie nicht auf, sondern stach zu, drehte das Messer hin und her, schob den Alten nach vorn

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