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Das letzte Koenigreich

Das letzte Koenigreich

Titel: Das letzte Koenigreich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernard Cornwell
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und drückte ihm das Gesicht ins Wasser, sodass er nicht verblutete, sondern ertrank, was länger dauerte, als ich erwartet hatte. Einen Mann zu töten ist nicht leicht. Er versuchte, sich zu wehren, und ich fürchtete, dass die Geräusche, die er dabei machte, die Männer am nächsten Feuer aufschrecken könnten. Doch sie waren vierzig oder fünfzig Schritt entfernt, und das Plätschern der Wellen übertönte die Todesqualen des Dänen. So tötete ich ihn, ohne dass irgendjemand es bemerkte. Nur die Götter waren Zeugen, und als er seine Seele ausgehaucht hatte, zog ich das Messer aus der Kehle, holte meinen Helm aus dem Wasser und kehrte vor den Schiffssteven zurück.
    Dort wartete ich, bis der Horizont im Osten hell wurde, bis sich an Englands Rand ein grauer Schimmer zeigte.
    Die Zeit war gekommen.
    Ich ging langsam auf das nächste Feuer zu, an dem zwei Männer saßen. «Murks einen ab, dann zwei, dann drei», sang ich leise vor mich hin, «bald vier und fünf in einem fort.» Es war ein dänisches Lied, das beim Rudern gegrölt wurde. Ich hatte es unzählige Male auf der Windviper gehört. «Ihr werdet bald abgelöst», grüßte ich froh gestimmt.
    Sie starrten mich an und vergaßen darüber zu fragen, wer ich sei. Aber wie der Mann, den ich soeben getötet hatte, schienen sie keinerlei Argwohn zu hegen, obwohl mein Dänisch einen englischen Akzent hatte. Es gab sehr viele Engländer in der dänischen Armee.
    «Eine ruhige Nacht», sagte ich und bückte mich, um einen brennenden Scheit aus den Flammen zu ziehen. «Egil hat sein Messer auf dem Schiff liegen lassen.» Egil war ein weit verbreiteter Name unter den Dänen, und dass ich Flammenlicht brauchte, um meinen Weg beleuchten zu können, schien den Männern als Erklärung auszureichen. Jedenfalls schöpften sie keinen Verdacht. Sie blickten mir wortlos nach, als ich mit meiner Fackel abzog. Und so ging ich unbehelligt an den Hütten vorbei, nickte drei Männern zu, die um ein anderes Feuer saßen, und lief an der Reihe der am Ufer liegenden Schiffe entlang, bis ich das in der Mitte erreicht hatte. Unschuldig vor mich hin pfeifend, kletterte ich über die kurze Leiter an Bord, halb darauf gefasst, einen schlafenden Dänen zwischen den Ruderbänken aufzuschrecken. Aber von den Geräuschen vorbeihuschender Ratten abgesehen war alles still.
    Geduckt näherte ich mich den in der Bilge aufgestapelten Rudern und steckte den brennenden Holzscheit in das Gestänge. Um den Brand zu beschleunigen, schnitzte ich mit meinem Messer Späne aus der Ruderbank und warf eine Hand voll ins Feuer, das sogleich aufflackerte. Noch waren die Flammen nicht so hoch, dass sie die Wachen am Ufer hätten sehen können, doch sie griffen rasch um sich. Mir blieb nicht mehr viel Zeit, also steckte ich das Messer in die Scheide zurück, stieg über die Bordwand und ließ mich in den Pedredan gleiten. Das Wasser reichte mir bis zu den Hüften, als ich von einem Schiffsheck zum nächsten watete, bis ich am Ende der Reihe an die Stelle gelangte, wo der graubärtige Leichnam auf den niedrigen Wellen des Flusses schaukelte. Dort wartete ich.
    Und wartete. Mir wurde kalt, und ich fürchtete, das Feuer sei ausgegangen.
    Das Grau am Rand der Welt wurde lichter. Dann endlich gellte ein wütender Schrei. Ich trat aus dem Schatten des Schiffes und sah die Dänen auf die Flammen zulaufen, die jetzt hoch über dem Schiff aufloderten, das ich in Brand gesteckt hatte. Ich schlich an eines der verlassenen Lagerfeuer zurück, ergriff einen weiteren brennenden Scheit und schleuderte ihn auf ein zweites Schiff. Niemand sah mich. Die Männer, die an Bord des brennenden Schiffes umherhasteten, waren gut sechzig Schritt entfernt. Dann ertönte ein Horn. Immer und immer wieder ertönte es, und ich wusste, dass Ubbas Männer aus ihrem Lager bei Cantucton herbeieilen würden. Ich trug einen letzten flammenden Holzscheit zu den Schiffen und verbrannte mir die Finger, als ich ihn ins Gestänge der Ruder schob. Dann watete ich wieder in den Fluss hinaus und suchte im Schatten einer Bordwand Deckung.
    Das Horn wurde immer noch geblasen. Männer schwärmten aus den Fischerkaten ins Freie, sie liefen auch aus dem Lager im Süden herbei, und so gingen uns Ubbas Dänen in die Falle. Sie sahen ihre Schiffe brennen und versuchten, sie zu retten. Viele von denen, die eilends aus dem Lager gestürzt waren, hatten keine Waffen bei sich und nichts anderes im Sinn, als die Flammen zu löschen, die inzwischen bis zum Takelwerk

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