Das letzte Mahl: Roman (Hanne Wilhelmsen-Reihe) (German Edition)
Ziegler!
PROTOKOLLANTIN:
Ich wiederhole, die Angeklagte wird über die Anklage informiert. Sie sind jetzt nicht mehr zum Aussagen verpflichtet. Wollen Sie weiterhin aussagen, mit dem Status einer Angeklagten?
ZEUGIN:
Aber meine Liebe, ich sage doch so gern aus, ich rede ja schon den halben Tag.
PROTOKOLLANTIN:
Als Angeklagte haben Sie Anspruch auf Anwesenheit eines Anwalts. Sollen wir einen Anwalt holen oder einfach weitermachen? Ich habe noch einige wenige Fragen.
ZEUGIN:
Natürlich werde ich aussagen. Aber Brede Ziegler habe ich nun wirklich nicht umgebracht. In Wirklichkeit interessieren Sie sich für die Katze, nicht wahr? Ich habe dem ganzen Haus einen Dienst erwiesen, indem ich dieses Biest erledigt habe. Es war das beste für alle.
PROTOKOLLANTIN:
Und wie haben Sie die Katze also umgebracht?
ZEUGIN:
Mit Arsen. Das setze ich auch gegen die Ratten im Keller ein. Sehr effektiv, das kann ich Ihnen sagen.
PROTOKOLLANTIN:
Mit Arsen? (sehr laut) Aber Ihre Ärzte verschreiben Ihnen doch wohl kein Arsen?
ZEUGIN:
Man möchte fast nicht meinen, daß Sie bei der Polizei sind. Arsen gibt es nicht beim Arzt, sondern beim Tierarzt. Man braucht nur zu sagen, daß man ein Pferd in Pflege hat und daß dessen Fell nicht mehr glänzt, und schwupp, schon bekommt man Arsen. Die Apotheke in Ås ist da ausgezeichnet.
PROTOKOLLANTIN:
Das ist eine ungewöhnlich interessante Auskunft. Darauf werden wir später noch zurückkommen. Aber ich würde gern noch weiter über Brede Ziegler sprechen. Haben Sie Brede Ziegler mit »Reine Faust« unterschriebene Drohbriefe geschickt oder nicht? Ich möchte Sie daran erinnern, daß Ihre Lage ernst ist, Frau Helmersen.
ZEUGIN:
Nein, wissen Sie was! Ich habe den Mord an der Katze zugegeben, und mehr habe ich nicht zu sagen. Jetzt will ich nach Hause. Ich bin eine alte Frau. Sie dürfen mich nicht auf solche Weise quälen.
PROTOKOLLANTIN:
Bedeutet das, daß Sie keine Aussage machen wollen?
ZEUGIN:
Kein Wort wird mehr über meine Lippen kommen. Ich will nach Hause. Ich mache eine Kur und möchte jetzt meinen Kräutertee trinken.
PROTOKOLLANTIN:
Das geht leider nicht. Die Anklageschrift liegt vor Ihnen. Wie Sie sehen, handelt es sich dabei auch um einen vorläufigen Haftbefehl. Wir werden Sie in Polizeigewahrsam nehmen, bis wir Ihre Wohnung durchsucht haben. Die Polizei geht davon aus, daß andernfalls Beweise verlorengehen könnten. Wenn wir Ihre Wohnung durchsucht haben, werden wir entscheiden, ob Sie wieder auf freien Fuß gesetzt werden können. Ich muß Sie jetzt leider in den Arrest führen, Frau Helmersen.
(Lärm, Zeugin sagt mehrere Male: »Wissen Sie was!«)
Zusatz der Protokollantin:
Die Vernehmung endete um 14. 50. Die Angeklagte bekam während der Vernehmung Kaffee und Wasser. Die Vernehmung wurde mehrere Male unterbrochen, weil juristischer Rat eingeholt werden mußte. Die Angeklagte wird in Gewahrsam genommen. Die Protokollantin wird einen Arzt kommen lassen, da die Angeklagte mitgeteilt hat, daß sie sich in Behandlung befindet. Eine Streife wird zur Wohnung der Angeklagten geschickt, um die Durchsuchung vorzunehmen.
52
Auf den Büchern des Großvaters schien ein Fluch zu ruhen. Daniel hatte das Wochenende damit verbracht, eine Art System in die Sammlung zu bringen. Sobald er ein Buch berührte, spürte er den Blick seines Großvaters im Nacken. Der Alte mochte zwar Haus und Hof verspielt haben, seine Bücher aber waren ihm heilig gewesen. Es mußte für den alten Mann eine große Versuchung gewesen sein, einiges von seinem gebundenen Vermögen zu Geld zu machen. Vor allem, als die Schulden langsam über den Schornstein des Hauses hinauswuchsen, in dem seine Kinder groß geworden waren und aus dessen Garten seine Frau ein wunderschönes botanisches Meisterwerk gemacht hatte. Sie hatte mehr als dreißig Jahre dafür gebraucht. Der Käufer des Grundstücks war ein Bauunternehmer gewesen, der Haus und Garten sofort in Schutt gelegt hatte, um vier nebeneinanderliegende Wohnhäuser hochzuziehen.
Daniel hatte sich entschieden.
Er stand vor der Tür zu Ringstrøms Antiquariat. Rechts befand sich die Plattenabteilung. Daniel konnte zu dem Kasten mit den Beatles gehen, »The White Album« heraussuchen, die Platte kaufen und dann mit den beiden Büchern des Großvaters unter dem Arm wieder nach Hause gehen. Noch hatte er die Wahl.
Ein Mann in verschlissenen Jeans kam hinter einem Vorhang hinten im Lokal zum Vorschein. Das handgeschriebene Plakat mit der
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