Das letzte Mahl: Roman (Hanne Wilhelmsen-Reihe) (German Edition)
wissen, ich schlafe nicht so gut. Deshalb dachte ich, ein Abendspaziergang könnte mir helfen. Und zugleich konnte ich mir dieses Machwerk ansehen.
PROTOKOLLANTIN:
Was verstehen Sie unter spät:War es nach Mitternacht?
ZEUGIN:
Tja. Sie stellen aber auch schwierige Fragen. Es muß so zwischen … (Pause) .. zehn Uhr abends und Mitternacht gewesen sein. So in etwa.
PROTOKOLLANTIN:
Und wie lange so in etwa waren Sie bei der Moschee?
ZEUGIN:
Das weiß ich wirklich nicht.
PROTOKOLLANTIN:
Denken Sie nach.
ZEUGIN:
Ich ahne da einen sarkastischen Unterton, junge Frau Polizei. Das paßt nicht zu Ihnen, wenn ich mir diese Bemerkung gestatten darf.
PROTOKOLLANTIN:
Versuchen Sie zu schätzen, wie lange Sie vor der Moschee im Åkebergvei gestanden haben zwischen zweiundzwanzig Uhr und Mitternacht am fünften Dezember.
ZEUGIN:
Eine Viertelstunde vielleicht? Aber das ist wirklich nur vage geschätzt. Ich begreife nicht …
PROTOKOLLANTIN:
Haben Sie dort noch andere Leute gesehen?
ZEUGIN:
Noch andere? Aber liebe kleine Frau, wir reden hier vom schlimmsten Ostend. In den Straßen dort wimmelte es ja dermaßen von Leuten, daß man meinen könnte, die hätten allesamt kein Zuhause.
PROTOKOLLANTIN:
Haben Sie bei der Moschee viele (»viele« deutlich betont) Menschen gesehen?
ZEUGIN:
(murmelt undeutlich) Was heißt schon viele … (unverständlich) … mit dem Taxi nach Hause gefahren.
PROTOKOLLANTIN:
Vorhin haben Sie Bus gesagt.
ZEUGIN:
Bus oder Taxi, das kann ja egal sein. Die Hauptsache ist doch wohl, daß ich sicher nach Hause gekommen bin.
PROTOKOLLANTIN:
Wir müssen jetzt eine kleine Pause einlegen, Frau Helmersen. Es ist 13.35 Uhr. (Stühlescharren, Tonbandgerät wird ausgeschaltet)
PROTOKOLLANTIN:
Es ist 13.55 Uhr. Die Vernehmung wird fortgesetzt. Was haben Sie zu Hause für Messer?
ZEUGIN:
Messer? Das ist aber eine seltsame Frage. Ich habe natürlich allerlei verschiedene. Ein gutes Messer darf in der Küche nie unterschätzt werden. Ein gutes Essen verlangt gute Zutaten, aber auch die entsprechende Ausrüstung, sage ich immer. Zum Filetieren benutze ich ein Messer, das ich von meinem Vater geerbt habe, er war ein echter …
PROTOKOLLANTIN:
Wissen Sie, was ein Masahiro ist?
ZEUGIN:
Aber natürlich. Das ist das wahre Kronjuwel, wenn ich es mal so sagen darf. Leider reicht meine schändlich niedrige Rente nicht für den Erwerb solcher Gerätschaften, aber alle, die … das kommt übrigens aus Japan. Ja, diese Japaner. Die sind wirklich ein Volk, das weiß, was es will. Und sie bleiben zu Hause, nicht zuletzt das. Kommen im Urlaub her und fahren wieder zurück. Wie eine zivilisierte Insel mitten im Barbarentum haben sie …
PROTOKOLLANTIN:
Wir müssen leider wieder eine kleine Pause einlegen.
ZEUGIN:
Sie sind aber wirklich schrecklich unruhig, Frau Polizei. Sie sollten es mit Johanniskraut und …
PROTOKOLLANTIN:
Es ist 14.05 Uhr.
(Tonbandgerät wird ausgeschaltet)
PROTOKOLLANTIN:
Es ist jetzt 14.23 Uhr. Mögen Sie Katzen, Frau Helmersen?
ZEUGIN:
Was für eine seltsame Art zu sprechen. Von Messern zu Katzen, und dazwischen eine Pause nach der anderen. Aber wenn Sie meine ehrliche Meinung hören wollen, dann bitte sehr. Katzen sind entsetzliche Geschöpfe. In Mietshäusern in der Stadt müßte das Halten von Tieren streng verboten sein, ich habe oft …
PROTOKOLLANTIN (unterbricht):
Haben Sie die Katze Ihrer Nachbarn umgebracht? Die Katze der Familie Gråfjell Berntsen?
ZEUGIN:
Also wissen Sie was! Werde ich jetzt schon des Mordes bezichtigt? Familie Berntsen, ja. Ich kenne meine Pappenheimer. Aber Mord … jetzt sollten Sie sich in acht nehmen, Frau Polizei. Ich würde nicht einmal im Traum ein lebendes Wesen umbringen. Auch keine Katze.
PROTOKOLLANTIN:
Ich muß Sie darauf aufmerksam machen, daß Sie jetzt im Rahmen der Ermittlungen im Mordfall Brede Ziegler nicht mehr als Zeugin vernommen werden. Sie haben im Laufe der Vernehmung einige Auskünfte erteilt, die für die Polizei Grund genug sind, Sie mit dem Mord in Zusammenhang zu bringen. Sie werden dringend des Mordes und/oder des Mordversuches oder der Beihilfe zum Mord verdächtigt. So lautet die vorläufige Anklage. Die Anklageschrift wurde während der letzten Pause ausgestellt. Für das Protokoll, die Angeklagte wird informiert …
ZEUGIN (unterbricht):
Angeklagt … soll das heißen, daß Sie mich beschuldigen? Wir haben über Katzen gesprochen, und jetzt reden Sie plötzlich von
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