Das letzte Mahl: Roman (Hanne Wilhelmsen-Reihe) (German Edition)
um meine Topfblumen habe ich mich gekümmert, obwohl die sicher schrecklichen Durst haben, und ja … (Eine Tür schlägt hin und her? Pause) … hier bin ich.
PROTOKOLLANTIN:
Schön. Wissen Sie, warum die Polizei mit Ihnen reden möchte?
ZEUGIN:
Warum? Ja, sicher weil die Polizei glaubt, daß ich durchaus interessante Dinge wissen könnte.
PROTOKOLLANTIN:
Gut. Aber wissen Sie, worüber genau die Polizei mit Ihnen sprechen möchte?
ZEUGIN:
Was? Ach, da gibt es so viele Möglichkeiten. Ich halte mich auf dem laufenden, das kann ich Ihnen sagen. Und man erfährt doch so allerlei. Könnte ich wohl noch einen Schluck von diesem köstlichen Kaffee bekommen?
PROTOKOLLANTIN:
Kaffee? Ja, natürlich. Bitte sehr. (Scharren, Pause) Der Polizei ist zu Ohren gekommen, daß Sie bei sich zu Hause sehr viele Medikamente aufbewahren. Gibt es dafür einen besonderen Grund?
ZEUGIN:
Was ist das für eine Unverschämtheit? Hat irgendwer die Polizei erzählt, wie es bei mir zu Hause aussieht? Es kommt nie jemand zu mir; was Sie da gehört haben, ist also die pure Spinnerei. Fragen Sie mich, dann bekommen Sie die richtige Antwort.
PROTOKOLLANTIN:
Wir würden uns Ihre Wohnung sehr gern etwas genauer ansehen, Frau Helmersen. Darf ich Sie so verstehen, daß Sie nichts gegen eine Hausdurchsuchung einzuwenden haben?
ZEUGIN:
Hausdurchsuchung? Ich muß schon sagen! Aber Sie können zu mir kommen, wann immer Sie wollen, junge Dame. Ich werde Ihnen Kaffee und Mor-Monsen-Kuchen anbieten. Davon habe ich reichlich in der Tiefkühltruhe. Sie wissen, ich halte mich an die Traditionen und backe zu Weihnachten, ich …
PROTOKOLLANTIN (unterbricht):
Heißt das, daß Sie mit einer Hausdurchsuchung einverstanden sind? (Papier raschelt, kurze Pause) Würden Sie dann bitte hier unterschreiben?
ZEUGIN:
Ja, gern. Das ist doch fast wie eine schriftliche Einladung, oder? (Kurze Pause, Lachen)
PROTOKOLLANTIN:
Danke. Aber das mit den Medikamenten … stimmt das? Nehmen Sie viel Medizin?
ZEUGIN:
Ja, leider. In meinem Alter …
PROTOKOLLANTIN (unterbricht):
Frau Helmersen, es ist schön, daß Sie so schnell gekommen sind. Aber es wäre von großem Vorteil, wenn Sie sich ein wenig kurz fassen könnten. Versuchen Sie sich auf meine Fragen zu konzentrieren. Wie heißt Ihr Hausarzt? Ich nehme doch an, daß Ihr Hausarzt Ihnen diese Medikamente verschrieben hat?
ZEUGIN:
Mein Hausarzt? Ich kann Ihnen sagen, daß es heutzutage wirklich nicht einfach ist, einen tüchtigen Arzt zu finden. Deshalb gehe ich zu mehreren. Wir könnten sagen, daß ich noch immer auf der Suche nach dem besten bin. Wissen Sie was, neulich hatte ich einen Termin im Ärztezentrum Bentsebru. Der Arzt war kohlrabenschwarz! Als ob ich mich von so einem Hula-Hula-Medizinmann behandeln lassen würde. Wenn ich nicht dringend …
PROTOKOLLANTIN (unterbricht):
Bedeutet das, daß Sie sich von mehreren Ärzten Medizin verschreiben lassen?
ZEUGIN:
Ja, aber das habe ich doch schon gesagt. Junge Dame, Sie sollten vielleicht aufmerksamer zuhören.
PROTOKOLLANTIN:
Ich versichere Ihnen, daß ich sehr aufmerksam zuhöre. Reine Faust, sagt Ihnen das etwas?
ZEUGIN:
Ja, natürlich. Ein herrlicher Ausdruck, nicht wahr? Die hart zuschlagende Bildung gewissermaßen. In aller Bescheidenheit … (lacht kurz) ein bißchen wie ich.
PROTOKOLLANTIN:
Ein bißchen wie Sie? Sagen Sie, schreiben Sie Briefe, die Sie mit »Reine Faust« unterzeichnen?
ZEUGIN:
Ich bin ein schreibender Mensch. Das kann ich Ihnen sagen. In dieser Gesellschaft gibt es so vieles, vor dem gewarnt werden muß. Ich weiß ja nicht, wie gut Sie sich auf dem laufenden halten, aber diese Schulreformen, ganz zu schweigen von der absurden Idee einer Polizeidirektion – das alles muß doch zwangsläufig dazu führen, daß …
PROTOKOLLANTIN (unterbricht):
Frau Helmersen! (Pause) Ich möchte jetzt wirklich nicht mehr … Glauben Sie, Sie könnten den Versuch machen, meine Fragen zu beantworten? Das ist eine polizeiliche Vernehmung. Verstehen Sie? Können Sie mir nun sagen, ob Sie mit »Reine Faust« unterschreiben?
ZEUGIN:
Kommen Sie mir ja nicht so, junge Frau. Wo es gerade so gemütlich war … (Pause, ausgiebiges Rascheln mit Papier) Ja, natürlich. Reine Faust ist mein Alias. Und ich nehme an, Ihnen ist dieser Name bekannt. Ich schreibe ja viel in den Zeitungen, kann fast als feste Mitarbeiterin gelten, in der Hauptstadtpresse, meine ich. Deshalb fragen Sie doch, nicht wahr? Weil Sie Reine Faust als markante
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