Das letzte Mahl: Roman (Hanne Wilhelmsen-Reihe) (German Edition)
festzustellen, wer Brede Ziegler in den letzten Wochen vor seinem Tod besucht hat. Und wenn die Aufzeichnungen stimmen, dann haben Sie am Dienstag, dem 23. November, um 20.23 Uhr in der Niels Juels gate den Lift betreten. Etwas später am selben Abend zeigt ein deutliches Bild, wie Sie das Haus verlassen. Um 21.13 Uhr. Haben Sie noch andere Bekannte in dem Haus?
ZEUGIN:
Andere Bekannte? Ein Bild von mir in der Niels Juels gate, ich begreife nicht … (Pause)
PROTOKOLLANTIN:
Bitte antworten Sie mir. Nach allem, was Sie bisher gesagt haben, stehen Sie bei der nächsten Frage nicht unter Schweigepflicht. Waren Sie am Dienstag, dem 23. November, bei Brede Ziegler zu Besuch?
ZEUGIN:
Das war dumm von mir … es war so unwichtig, daß ich es einfach vergessen hatte. Ich begreife nicht, wie ich …
PROTOKOLLANTIN:
Wie was? Wie Sie die Polizei anlügen konnten?
ZEUGIN:
Anlügen? Also wirklich! Zuerst schicken Sie mir einen Mann ins Büro, der sich nicht einmal richtig vorstellt, und jetzt wollen Sie mich der Lüge bezichtigen? (wird lauter) Es tut mir leid, daß ich mich geirrt habe, aber es ist wirklich dreist, hier von einer Lüge zu sprechen. Hier werde ich nach Dingen gefragt, die mir damals als absolut unwichtig erschienen sind, und jetzt soll es plötzlich ein Verbrechen sein, solche Bagatellen vergessen zu haben!
PROTOKOLLANTIN:
Darf ich daraus entnehmen, daß Sie am Dienstag, dem 23. November, bei Brede Ziegler waren?
ZEUGIN:
Ja, das habe ich doch schon gesagt. Ich hatte es nur vergessen. Es ging um die Fotos. Ich wollte ihm ein paar Fotos vorbeibringen, ich hatte es einfach vergessen, und das tut mir leid. Ich verstehe ja, daß das seltsam aussieht, ich bin wirklich … Tut mir aufrichtig leid, aber ich hatte es ganz einfach vergessen.
PROTOKOLLANTIN:
Sie waren fast eine Dreiviertelstunde in Bredes Wohnung. Was haben Sie dort gemacht, wissen Sie das noch? Es ist ja erst drei Wochen her.
ZEUGIN:
War das wirklich eine Dreiviertelstunde? Mir ist es nicht so vorgekommen. In meiner Erinnerung war es ein kurzer Besuch. Wir haben nur über die Bilder gesprochen … Ja, jetzt weiß ich wieder, daß er mir Tee angeboten hat. Sicher hat es deshalb so lange gedauert. Es war Zar-Alexander-Tee, der in einer russischen Tasse serviert werden mußte. Das war wirklich alles. Nur das mit dem Tee hat offenbar soviel Zeit verschlungen.
PROTOKOLLANTIN:
Wie ist Brede Ihnen vorgekommen? Hat er sich über Ihren Besuch gefreut? Wie war die Stimmung?
ZEUGIN:
Ich habe Ihnen bereits gesagt, daß ich es nicht richtig finde, über das zu sprechen, was Ziegler in Verbindung mit unserer Arbeit gesagt hat, ich möchte doch bitten, das zu …
PROTOKOLLANTIN:
Zu respektieren? Dann möchte ich Sie daran erinnern, daß Sie auch unsere Arbeit respektieren sollten. Sie bringen hier eine ganze neue Information erst, nachdem (Klopfen, Hand auf Tischplatte?) ich Sie mit dem Beweis dafür konfrontiert habe, daß Ihre frühere Aussage nicht zutrifft. Würden Sie mir freundlicherweise von Ihrem Besuch in Brede Zieglers Wohnung am Dienstag, dem 23. November, erzählen? Worüber haben Sie gesprochen?
ZEUGIN:
Über nichts Besonderes … (lange Pause) Ja, viel über den Tee natürlich. Brede hielt einen Vortrag über alle möglichen Teesorten. Und über die Tassen. Die Fotografin sollte sie aufnehmen, sie stammten wohl wirklich vom Zarenhof. Aber nur weil ich das vergessen hatte, will ich noch lange nicht über das Buch reden … das mit den Tassen ist nicht so wichtig, aber Prinzip ist Prinzip.
PROTOKOLLANTIN:
Kann irgendwer bestätigen, daß Sie am 23. November bei Ziegler waren, um ihm die Bilder zu zeigen?
ZEUGIN:
Das ist ja nun nicht gerade ein Unternehmen, für das man sich ein Alibi beschafft. Ein paar Bilder abzuliefern, meine ich. Wie gesagt, mir kam es nicht weiter wichtig vor, aber … (Pause) Nein, ich wüßte niemanden, der bestätigen könnte, daß ich diese Bilder abliefern wollte. Ist das denn so erstaunlich?
PROTOKOLLANTIN:
Dann ist das erledigt. Apropos Alibis. Wo waren Sie am Sonntag, dem 5. Dezember dieses Jahres? Wissen Sie das noch?
ZEUGIN:
Wo ich war? (Pause) Ich war im Kino. Shakespeare in Love. In der Vorstellung um einundzwanzig Uhr. Der Film dauert zwei Stunden und fünf Minuten.
PROTOKOLLANTIN:
Das wissen Sie also noch genau. Wie lange der Film gedauert hat.
ZEUGIN:
Ja, das weiß ich noch ziemlich gut. Ich weiß, daß ich in dieser Vorstellung war. Ich hatte mit meiner Schwester verabredet,
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