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Das letzte Mahl: Roman (Hanne Wilhelmsen-Reihe) (German Edition)

Das letzte Mahl: Roman (Hanne Wilhelmsen-Reihe) (German Edition)

Titel: Das letzte Mahl: Roman (Hanne Wilhelmsen-Reihe) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Holt , Berit Reiss-Andersen
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zusammengekniffenen Augen. Sie war wirklich nicht wiederzuerkennen. Wenn sie bisher selten einmal ins Restaurant gekommen war, hatte sie sich benommen wie ein verlegenes kleines Mädchen. Sie hatten kaum ein Wort miteinander gewechselt, und bei diesen wenigen Gelegenheiten war er zu dem Schluß gekommen, daß diese Frau mit Intelligenz wahrlich nicht gesegnet sei.
    »Ich habe mit meiner Anwältin gesprochen«, sagte Vilde ruhig. »Sie hat mir alles erklärt. Da das Entré in Zukunft uns beiden gehören wird, ist es natürlich wichtig für mich, daß du es weiterhin leitest. Wie du selbst sagst: Ich habe keine Ahnung, wie man ein Restaurant leitet.«
    Für den letzten Satz hatte sie sich einen leichten italienischen Akzent zugelegt. Dann kicherte sie kurz und fiel sofort in ihre alte, guttrainierte Rolle zurück. »Aber ich will meinen Anteil am Geld. Ich habe schließlich auch für diesen Laden geschuftet. Auf meine Weise.«
    Wieder kicherte sie. Das irritierte Claudio, und eine plötzlich in ihm aufsteigende Wut brachte ihn dazu, endlich direkten Blickkontakt zu suchen. Er beugte sich über den Tisch.
    »Wie meinst du das?« fauchte er. »Hast du … ist mir doch scheißegal, was du getan hast. Was willst du eigentlich? Oder sollte ich vielleicht fragen, was deine Anwältin will?«
    Vilde legte ihr Gesicht gekonnt in nachdenkliche Falten.
    »Du spielst mit mir«, fauchte Claudio. »Verdammt noch mal, du spielst mit mir!« Er sprang so heftig auf, daß sein Stuhl umkippte. Ratlos blieb er stehen und starrte zu Boden.
    »Ganz ruhig«, sagte Vilde leise. »Ich spiele nicht. Setz dich.«
    Er fühlte sich so deutlich von ihr bei den Eiern gepackt, daß er sich in den Schritt faßte. Dann richtete er seinen Stuhl wieder auf, setzte sich zögernd und schielte zum Ausgang hinüber.
    »Ich will Geld«, sagte Vilde. »Und zwar jetzt. Meine Anwältin sagt, daß das Nachlaßgericht eine Ewigkeit brauchen wird. Viele Monate. Und so lange kann ich nicht warten.«
    Claudio schwieg. Sie sah ihn an, lange, als wartete sie darauf, daß er eine Lösung aus dem Ärmel schüttelte für die Probleme, in die sie beide verwickelt waren.
    »Meine Anwältin sagt, daß das Entré an die fünf Millionen wert ist«, sagte sie schließlich und seufzte laut. »Das bedeutet, daß ich zweieinhalb Millionen von dir verlangen kann, wenn du das Restaurant allein haben willst. Mindestens.«
    »Zweieinhalb …« Er verdrehte wütend die Augen und breitete die Arme aus. »Wie zum Teufel soll ich soviel …«
    »Ich mache dir einen Vorschlag«, fiel sie ihm ins Wort. »Du gibst mir jetzt anderthalb Millionen. Dafür bekommst du zwei Prozent von meinen Aktien. Damit bist du der Chef. Dann hast du einundfünzig Prozent.«
    »Anderthalb Millionen für zwei Prozent? Wo der ganze Laden fünf wert ist? Ich glaube, du …«
    Wieder fiel sie ihm ins Wort, jetzt wütender: »Wir treffen eine Vereinbarung. In drei Jahren gehört alles dir. Alle meine Aktien werden auf dich überschrieben. Unter der Voraussetzung, daß ich nächstes Jahr eine Million und dann über die beiden folgenden Jahre noch eine bekomme. Insgesamt dreieinhalb Millionen.« Sie hob ihr Glas und trank ihm zu. »Und schwupp. The Entré is all yours.«
    Eine Gruppe von Japanern in grauen Anzügen betrat das Restaurant. Sie trugen jeder ein kleines Namensschild auf der Brust. Der Kellner, zwei Köpfe größer als seine Gäste, führte sie zu einem Tisch gleich hinter Vilde. Sie senkte die Stimme.
    »Oder wir verkaufen das Entré sofort. Und sacken beide einen Batzen Geld ein.« Sie lächelte breit und schenkte sich Wasser nach. Die Eiswürfel waren fast geschmolzen.
    Claudio konnte das Entré nicht verkaufen. Er wußte, daß es für einen Neuanfang zu spät war. Er wurde bald fünfzig und hatte schon einmal alles verloren. Daran wäre er damals fast zerbrochen. Aber er war wieder auf die Beine gekommen, hatte weitergekämpft und endlich etwas erreicht, das sich sehen lassen konnte. Das Entré war sein Ziel, das einzige, was er wollte.
    Claudio Gagliostro war in der Gastronomie im wahrsten Sinne des Wortes geboren und aufgewachsen. Er war im Mailänder Restaurant seines Onkel auf dem Küchenboden zur Welt gekommen. Mit fünf Jahren hatte er beide Eltern verloren, absurderweise durch eine Lebensmittelvergiftung. Sie hatten auf ihrer arg verspäteten Hochzeitsreise in einer Kneipe in Venedig verdorbene Miesmuscheln gegessen. Der kleine Claudio war beim Bruder der Mutter aufgewachsen. Er war vierzehn

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