Das letzte Mahl: Roman (Hanne Wilhelmsen-Reihe) (German Edition)
mitten im Raum aufgestellten Springbrunnen lauter gedreht hatte. Das Wasser plätscherte so penetrant, daß sie nicht klar denken konnte.
Claudio kam vier Minuten zu spät. Als er sich setzte, schien es, als habe jemand den Springbrunnen jählings abgewürgt.
»Was haben wir uns eigentlich zu sagen?«
»Guten Abend, zum Beispiel.«
»Guten Abend.«
Er rutschte auf seinem Stuhl hin und her und wich ihren Blicken beharrlich aus. Er schwitzte jetzt schon stark, wirkte aber nicht atemlos. Als er endlich von der gelben Damastdecke hochschaute, blieb sein Blick irgendwo zwischen ihrem Mund und ihrer Nase hängen.
»Hast du dich darauf gefreut?«
Der Kellner brachte eine Karaffe Eiswasser. Er schenkte ihnen beiden ein und empfahl die Auswahl an belegten Broten. Vilde bestellte zwei mit Krabben, ohne Claudio zu fragen.
»Nein.« Sie trank ihr Glas in einem Zug leer und ließ danach die Eiswürfel langsam von einer Seite zur anderen klirren. »Ich habe mich nicht gefreut. Aber ich muß Ordnung schaffen. Da Brede nicht mehr alles für mich entscheiden kann. Dir geht es doch genauso, oder? Jetzt entscheidet nicht mehr Brede.«
»Also, hör mal zu!« Er fuhr sich mit einem kreideweißen Taschentuch über die Stirn und hob den Blick bis zu ihrer Nasenspitze. »Du solltest vielleicht doch noch mal gründlicher darüber nachdenken, was Brede entschieden hatte. Ist es nicht üblich, daß eine Witwe den letzten Willen ihres Mannes respektiert? Brede wollte, daß ich das Entré übernehme, wenn ihm etwas passiert. Das war seine Entscheidung.«
Vilde kannte Claudios Schroffheit. Sie hatten sich nie verstanden. Im Laufe der Zeit waren sie zu einem schweigenden Einverständnis gelangt. Sie waren einander aus dem Weg gegangen. Das war nun nicht mehr möglich. Brede war tot und Claudio nicht mehr nur übellaunig. Er hatte auch Angst.
»Dann ist Bredes Tod dir ja gelegen gekommen.« Sie spießte eine Krabbe auf und hob sie an ihren Mund. »Du hast doch geglaubt, du würdest alles bekommen. Und dann sind wir beide ziemlich überrascht worden.«
Die Krabbe verschwand zwischen ihren Lippen, und sie kaute lange darauf herum. Claudio Gagliostro spielte mit einem Dillzweig, er schien keinerlei Appetit zu haben.
»Auch wenn du mich dafür hältst, Claudio – dumm bin ich nicht. Du solltest wissen, daß ich von dem, was mir gehört, nichts hergeben werde. Einfach so, meine ich.«
»Ich halte dich nicht für dumm.«
Er schaute zu zwei Männern hinüber, die soeben einige Tische weiter Platz genommen hatten. Es sah aus, als wisse er selbst nicht genau, ob er die beiden kannte oder nicht und ob es ihm angenehm war, etwas anderes anzuschauen als Vilde, die sich immer wieder langsam die Haare hinter die Ohren strich, eine Krabbe nach der anderen verzehrte und das Brot darunter nicht anrührte.
»Du bist nicht dumm«, wiederholte er, »aber du kannst kein Restaurant leiten. Davon hast du ganz einfach keine Ahnung. Und ich begreife noch immer nicht, worüber du mit mir reden willst.«
»Genau darüber.«
Er erkannte Vilde nicht wieder. Ihr arrogantes Lächeln ließ ihre Augen hart aussehen. Es war ihm unbegreiflich gewesen, warum Brede sich für Vilde entschieden hatte. Natürlich war sie hübsch, aber an hübschen Mädchen hatte es Brede nie gefehlt. An schönen, jungen und in der Regel dummen. Als Brede angefangen hatte, mehr Interesse an Vilde zu zeigen, hatte Claudio angenommen, sein Kompagnon mache eine neue Phase durch. Brede war knapp fünfzig gewesen. Da er selbst keine Midlife-crisis kannte, hatte Claudio Bredes Beziehung zu Vilde für den Ausdruck einer verspäteten Angst vor dem Alter gehalten. Aber daß sie geheiratet hatten, war ihm ein Rätsel. Brede hatte keine Kinder gewollt. Eines Nachts, lange nach Ladenschluß, als die beiden Partner im Halbdunkel hinter dem Tresen ein Glas getrunken hatten, hatte Brede erzählt, er sei steril. Er habe das erledigen lassen, hatte er gesagt und gelacht. Es war ein fremdes, fast boshaftes Lachen gewesen, als habe der Mann seiner Umgebung einen ziemlichen Streich gespielt und könne nun endlich darüber reden.
»Genau darüber.«
Claudio fuhr zusammen und ließ die Zitronenscheibe fallen, mit der er gespielt hatte.
»Genau darüber möchte ich mit dir reden. Du hast recht. Ich habe keine Ahnung von der Gastronomie. Deshalb möchte ich mit dir eine Vereinbarung treffen. Die Sache klären, wenn du so willst.«
Claudio ließ sich im Sessel zurücksinken und betrachtete Vilde aus
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