Das letzte Mal (German Edition)
verdammt nochmal steckst du, geh gefälligst an dein Handy! Oder geh hier ran. Das ist nicht lustig, hörst du, überhaupt nicht lustig.« Hm, ich stutze. Ich kenne Kate. Normalerweise bringt sie nichts so leicht aus der Fassung. Und wo steckt mein Handy, wenn nicht bei ihr?
Ich seufze und schaue mich wieder suchend um, kann aber außer meinen Schlüsseln, die sehr wohl da sind, wo sie hingehören, nichts entdecken. Mit einem Klick wird der nächste Anruf abgespielt: Mama. »Hi Liebes, ich bin's. Ich hab's vorhin schon einmal probiert ... naja ... aber keine Nachricht hinterlassen. Du weißt, ich mag keine Anrufbeantworter ...« Mama seufzt hörbar. »Ich denke, du kannst immer sehen, wer dran war? Normalerweise rufst du dann zurück. Naja, ich wollte dir nur ein Frohes Neues wünschen. Bist du da? Katharina meint, du bist nicht bei ihr. Wo bist du dann? Geht es dir gut, wir machen uns Sorgen.«
Mama hat mit Kate gesprochen und zweimal angerufen? Ich muss ja wirklich tief geschlafen haben, wenn ich das Telefon nicht gehört habe. Normalerweise quäle ich mich beim ersten Klingeln immer hoch. Egal, ob ich nun eine oder sechs Stunden im Bett gewesen bin. Und es klingelt ewig, bis der AB anspringt: mindestens einhundert Mal. Ich werde immer wach, ohne Ausnahme. Warum dieses Mal nicht?
Gleich nach Mama ist Kate wieder dran, als hätte die eine nach fünfzehn Mal Klingeln plus Text aufgelegt und die andere gleich im Anschluss nach fünfzehn Mal Klingeln den Text draufgesprochen. Macht dreißig nervtötende Klingelzeichen und mich, die keinen einzigen dieser Anrufe bemerkt haben soll. Nie im Leben war ich so breit, dann müsste ich mich doch deutlich schlechter fühlen!
Kate klingt bei ihrem zweiten Anruf alles andere als sauer, sondern vielmehr schuldbewusst: »Hi du, ich nochmal. Deine Ma hat gerade bei mir angerufen und mich wegen Silvester ausgefragt. Für die ganze Geschichte reicht dein AB auf gar keinen Fall. Du könntest dich echt langsam mal melden.« Ich höre, wie Kate sehr tief durchatmet, als würde sie all ihren Mut zusammen nehmen. Dann sagt sie: »Lange Rede, kurzer Sinn: Deine Ma hat nicht locker gelassen und sie weiß jetzt von dem Latino. Was hätte ich denn auch sagen sollen? Ich hoffe, das geht klar. Immerhin hat er noch einen halbwegs normalen Eindruck auf mich gemacht, im Gegensatz zu den anderen, du weißt schon ... aber keine Sorge, die hab ich natürlich mit keiner Silbe erwähnt. Hoffe, es geht dir gut und meld dich, wenn du das hier hörst! Okay?«
Das wird ja immer besser! Latino? Welcher Latino? Kate hat ja Nerven meiner Mama sowas zu erzählen! Wo sie sich jedes Mal schon aufregt, wenn ich nach Mallorca fliege. Dabei weiß doch jeder, dass dort nur Deutsche in der Sonne liegen und gutes Cerveza aus Eimern trinken!
Die nächste Nachricht ist kurz und knapp von Tanja, mit der ich eigentlich nicht soviel zu tun habe: »Frohes Neues, Party Queen of Berlin. Respect Schätzchen. Wir müssen uns mal treffen.« Hä?! Wir müssen uns mal treffen? Ich und Tanja? Von Angesicht zu Angesicht? Die Tanja, mit der ich in der Oberstufe in den gleichen Sportkursen gewesen bin? Die Tanja, die wie eine Göttin alles vorturnen konnte, während ich drei Kreuze gemacht habe, wenn ich mir nicht den Hals gebrochen habe? Ganz zu schweigen von den hartnäckigen blauen Flecken, mit denen ich in die Sommerferien gegangen bin. Sie dagegen mit einem neuen Freund. Die Tanja, die ich wie den Teufel meide? DIE hat meine Nummer. Und gratuliert mir zu wasweißich, denn nach mir klingt das alles nicht. Langsam bekomme ich ein richtig komisches Gefühl in der Magengegend. Und das ist definitiv kein Hunger.
Wenn schon Tanja sich meldet ... und Tanja ist dafür bekannt, dass sie von Club zu Club zieht und nichts anbrennen lässt, dann ... nein, ich kann diesen Gedanken nicht zuende denken. Es warten noch weitere fünf Nachrichten auf mich und was auch immer sie mir zu sagen haben, sie werden schon erklären, was ich mir gerade noch nicht erklären kann: Was verdammt nochmal habe ich Silvester getrieben? Und viel schlimmer: Warum weiß ich nichts davon!
Ich höre weiter die Nachrichten durch. Nun ist Papa dran, mit Mama, die ihm irgendetwas im Hintergrund zuzuflüstern versucht: »Hey Kleines, alle machen sich langsam Sorgen. Es ist okay, wenn du einen Tag ausschläfst, aber jetzt ist Sonntag, also meld dich, wenn du das hörst. Wir lieben dich.«
Toller Scherz, Papa. Ha, ha, dir auch Frohes Neues, denke ich mir. Trotzdem
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