Das letzte Mal (German Edition)
Blick erkenne ich mein Leben im Schnelldurchlauf. »Mmh …«, nuschelt er nachdenklich, während er meine Lebensjahre betrachtet.
Ist das nun gut, oder schlecht? Etwas verunsichert trete ich von einem Fuß auf den anderen. Im Stillen bin ich immer davon ausgegangen, dass ich direkt im Himmel landen würde. Klar habe ich auch mal geflunkert, oder einen Porno geschaut, wer denn bitte nicht?, aber dafür kann man mir doch nicht mein Ticket verwehren. Oder? Ich beginne zu zweifeln, denn die Begegnung mit dem alten Herrn dauert länger als gedacht.
»Schau mal!« Nach endlosen Minuten hält er mir das Display unter die Nase und was ich so unvorbereitet sehe, lässt mich alles um mich herum vergessen. Mir wird sofort an Stellen warm, die ich in letzter Zeit viel zu sehr vernachlässigt habe. Mein Mund wird trocken und meine Brustwarzen werden hart.
Intuitiv greife ich nach dem Display und zoome fasziniert ins Bild. Der Himmel kann vorerst warten. Der Himmel interessiert mich nicht einmal mehr. Wer oder was ist bitteschön der Himmel?
Am New Yorker Vorort-Flughafen Newark sitzt das Fleisch gewordene Abbild meiner Männerfantasien und telefoniert.
»Du gibst es wohl nicht auf?«, lacht er über den Kommentar seines Gesprächspartners. »Als würde meine Traumfrau einfach so vom Himmel fallen.«
Er lauscht auf die Antwort und sagt dann: »Ich weiß, dass ich nicht so einfach bin, okay? Aber wer ist das schon?«
Seine wunderschöne Hand streicht mit einer frustrierenden Geste durch seine dunklen Haare und meine eigenen Finger brennen. Wie gerne möchte ich diese Geste wiederholen! Oder einfach nur seine Haut berühren! Er tut nur so relaxt. Ich sehe ihm an, dass ihn das Gespräch mehr beschäftigt, als er zugeben will.
»Oh komm schon, es muss doch noch irgendwo auf der Welt wenigstens eine attraktive, selbstbewusste, clevere Frau geben, die sich nicht nur um ihre nächste Maniküre, sondern auch um ihre Mitmenschen kümmert!«
Die Antwort scheint ihm zu gefallen.
»Na siehst du, da könnte Anni nie im Leben mithalten.«
Wieder eine Pause.
»Ich weiß eben, was ich will.«
Nun lacht er und mir wird warm.
»Ja, genau deshalb habe ich ein gut gefülltes Konto und du drei wunderbare Kinder.«
Nachdenklich reibt er sich das Kinn und seine Finger tippen gedankenverloren an seinen sexy Mund. Seine Lippen bewegen sich einladend mit jedem Wort, das er spricht. So verheißungsvoll. Dann …
»Hey!«, protestiere ich, als der bärtige Mann mir ohne Vorankündigung das Display wieder abnimmt.
»Dachte ich es mir doch!« Ein wissendes Lächeln breitet sich auf seinem Gesicht aus. »Natürlich gefällt dir, was du siehst. Das ist Erik Schwarz, 36 Jahre alt, geboren in München, aufgewachsen in London, Paris und Frankfurt. Nicht verheiratet. Zurzeit lebt und arbeitet er für einen Finanz-Investor in Berlin.«
Selbstverständlich höre ich aufmerksam zu, aber mir ist völlig unklar, worauf der Typ hinaus will.
»Ich weiß, ich weiß«, wiegelt der bärtige Mann meine erneut nicht laut ausgesprochenen Bedenken ab.
Lass mich nochmal schmulen, denke ich, denn deutlich klarer ist mir, dass der Typ immer noch das Display hält. Ich versuche wieder, einen Blick auf meinen Traummann zu erhaschen.
»Er fliegt nach einem Wochenende in Boston nun nach seinem Business Diner in New York wieder zurück nach Berlin«, erklärt der Mann weiter und scheint sich über meine Versuche auf sein Display zu schmulen in keinster Weise gestört zu fühlen, im Gegenteil. »Du würdest gerne mehr von ihm erfahren, oder?«
Wetten? Mit dieser einfachen Frage erhält der Mann meine ungeteilte Aufmerksamkeit. Ich ignoriere, was allein Eriks Anblick mit meinem Körper anstellt, nehme mich zusammen, erinnere mich an meine guten Manieren und nicke.
»Wunderbar! Das geht nämlich ganz einfach. Er braucht dringend einen Schutzengel. Und du könntest diese Aufgabe übernehmen.«
Ich starre ihn an und kapiere nichts. Ich bin doch tot!
»Ach Julia, das versteht doch jedes kleine Kind! Du wachst über ihn, begleitest ihn überall hin, bist immer in seiner Nähe.«
»Wüsste er von mir?«
»Vielleicht, vielleicht nicht.« Er wiegt seinen Kopf abwägend und trägt ein mysteriöses Lächeln auf den Lippen, das mich spontan daran zweifeln lässt, dass ich wirklich im Himmel bin. Es steht kein Schild herum und wenn ich mich umschaue, bin ich hier die Einzige.
»Was bedeutet das?«, frage ich vorsichtig nach.
»Du wärst die eine Frau in seinem Leben, die
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