Das letzte Relikt
nicht völlig meschugge bin, hat der Typ ein Original der Schriftrollen vom Toten Meer in seiner Wohnung. Und die setzt er Stück für Stück zusammen. Er wollte meine Hilfe, um sie zu analysieren.« Er beschrieb seinem Freund Ezras Arbeitszimmer und was er dort gesehen hatte. Dann berichtete er, was Ezra über die Kirchenglocken erzählt hatte, die direkt nach der Explosion zu läuten begonnen hatten. Je länger er sprach, desto verrückter klang die Geschichte in seinen Ohren, doch Joes Gesichtsausdruck änderte sich nicht. Er schien alle Informationen in sich aufzusaugen und zu versuchen, das heillose Wirrwarr in eine logische Ordnung zu bringen. Als Carter schließlich innehielt, um Luft zu holen, schürzte Joe die Lippen, die nicht mehr als zwei geschwärzte Hautstreifen waren, und sagte: »
Bene
.«
»
Bene?
«, wiederholte Carter. »Was soll daran gut sein?«
»Wenn ich verrückt bin«, krächzte Joe, »dann ist es gut, Gesellschaft zu haben.«
Er weiß also, dachte Carter, dass ich immer noch Zweifel habe.
»Noch ein … Gefallen?«
»Sicher«, sagte Carter, »solange ich dir keine Zigaretten besorgen soll. Du weißt, dass man hier drin nicht rauchen darf.«
»Bring ihn her.«
»Ezra Metzger?«, fragte Carter, obwohl er genau wusste, wer gemeint war. War das eine gute Idee? Seinen schwerverletzten Freund mit einem möglichen Geisteskranken bekannt zu machen?
Joe nickte.
»Ich werde ihn anrufen«, gab er nach.
»Gut. Und jetzt«, sagte Joe und hob unter Schmerzen die Finger der verstümmelten Hand, »eine Zigarette?«
26 . Kapitel
»Ich sehe leere Champagnergläser«, warnte Kimberly einen der Kellner, »und auf meinen Partys will ich keine leeren Gläser sehen.«
»Jawohl, Madam«, erwiderte der Mann, »ich kümmere mich sofort darum«, und floh aus der Küche, um seine Cristal-Vorräte aufzufüllen.
Bis auf kleine Pannen wie diese hatte Kimberly jedoch das Gefühl, dass die Party sehr gut lief. Der Bürgermeister, seine Gattin und seine Geliebte, auch bekannt als seine Kampagnen-Schatzmeisterin, waren gekommen und hielten in den verschiedenen Ecken Hof. Auch verschiedene Spitzenreporter und Journalisten, einen Haufen hochdotierter Banker und Rechtsanwälte und sogar ein paar Broadway-Stars hatte sie herlocken können. Völlig unmöglich, dass diese Party es nicht auf die Seite sechs schaffen würde, und vielleicht sogar bis in Liz Smiths Kolumne. Wenn dann zufällig auch noch ein paar Spenden für die Kampagne zur Wiederwahl des Bürgermeisters flössen, was schließlich der vorgebliche Grund für diese Party war, nun, dann wäre das auch nicht schlecht.
Während sie von einem Raum zum nächsten schlenderte, ihre Gäste begrüßte und dafür sorgte, dass jeder die Verbindungen knüpfte, um deretwillen er hergekommen war, hielt sie Ausschau, um die Ankunft ihres geheimnisvollen Gastes nicht zu verpassen. Seit sie ihn gestern zum ersten Mal gesehen hatte, musste sie ständig an ihn denken. Mr Arius. Nie zuvor hatte sie einen Mann gesehen, der aussah wie er oder einen so unauslöschlichen und unmittelbaren Eindruck auf sie gemacht hätte. Der Abend war noch jung, aber sie begann sich bereits Sorgen zu machen, dass er womöglich gar nicht auftauchen würde.
Sam hatte sich in eine Ecke des Hauptsalons verzogen, wo er mit zwei, drei der anderen Größen der Immobilienbranche zusammenhockte und zweifelsohne bereits Pläne für einen weiteren Büroturm, ein Einkaufszentrum oder ein Kaufhaus in New Jersey schmiedete. Sie winkte ihm mit drei Fingern zu, als sie an ihm vorbeikam, aber er schien nicht einmal Notiz von ihr zu nehmen.
Andere Männer bemerkten sie sehr wohl, wie sie erfreut zur Kenntnis nahm.
Sie trug ein scharlachrotes schulterfreies Chiffonkleid von Thierry Mugler, das den Rücken frei ließ und an der Seite geschlitzt war. Die Haare hatte sie zu einem strengen Chignon gedreht und mit einer mit Diamanten und Rubinen besetzten Spange in Form eines Regenbogens festgesteckt. Der Bürgermeister persönlich hatte sie länger als nötig festgehalten, als er sie zur Begrüßung geküsst hatte, und Kimberly hatte den besorgten Ausdruck im Gesicht seiner »Schatzmeisterin« gesehen.
Mach dir keine Sorgen,
dachte Kimberly,
heute Abend bin ich auf einen größeren Fisch aus.
Als sie das nächste Mal nachschaute, stand er im Foyer und reichte dem Bediensteten seinen langen schwarzen Kaschmirmantel. Er trug wieder einen dunklen Anzug, und die Augen waren immer noch hinter den runden
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