Das letzte Relikt
bizarre Erscheinung des blonden Mannes.
Und dann dachte er an den Namen. Er schaute erneut auf die Liste und auf das dazugehörige Fragezeichen. War es dort, weil sie nicht sicher war, ob er kommen würde? Oder weil sie nicht sicher war, wie der Name buchstabiert wurde?
Er sprach ihn laut aus. »Arius«, sagte er. Der Taxifahrer drehte sich um.
»Nichts«, sagte Ezra, dann murmelte er den Namen erneut, leiser diesmal. »Arius.«
Seine Gedanken flogen zu dem Teil der Schriftrolle, an der er gerade gearbeitet hatte. Eine Liste mit Namen. Gadreel, Tamuel, Penemue … und als letzter … Ereus.
Das war seine Umsetzung der Laute gewesen, aber konnte man sie nicht genauso gut – oder sogar noch besser – mit Arius übersetzen?
Plötzlich glaubte er zu wissen, was Kimberly heimgesucht hatte. Und zum ersten Mal glaubte er, dass sie es womöglich doch nicht überleben würde.
Wenn das stimmte – würde dann irgendjemand überleben?
29 . Kapitel
Carters erste Station an diesem Tag war die Hauptbibliothek gewesen, und was er dort entdeckt hatte, war schon übel genug.
Jetzt saß er im Fachbereichsbüro, und es wurde noch schlimmer. Die Sekretärin reichte ihm einen Brief der Rechtsanwaltskanzlei Grundig und Gaines, mit dem er darüber informiert wurde, dass Mrs Suzanne Mitchell, die Witwe des kürzlich verstorbenen Bill Mitchell, die New York University wegen fahrlässiger Tötung verklagt habe und dass er, Carter Cox, als Verantwortlicher des Labors, in dem der tödliche Unfall sich zugetragen hatte, seines Amtes zu entheben sei.
»Der Vorsitzende hat ebenfalls so ein Schreiben erhalten«, sagte die Sekretärin, »und er möchte, dass Sie sich für die nächste Woche einen Termin bei ihm geben lassen.«
Was kommt denn jetzt noch?, dachte Carter. Innerhalb weniger Tage hatte er erfahren, dass er steril war, ein guter Freund war bis zur Unkenntlichkeit verbrannt, seine Frau hatte irgendeinen unheimlichen halluzinatorischen Albtraum erlitten, und jetzt sah es so aus, als wollte Mackie ihn zusammenstauchen, weil er Unheil über den gesamten Fachbereich gebracht hatte.
»Also«, sagte die Sekretärin, »wie wäre es mit Donnerstag um drei Uhr?«
Carter brauchte eine Sekunde. »Oh – sicher, das geht.« Er warf einen Blick auf die Uhr und stellte fest, dass er zu spät kommen würde. Wieder einmal. Er musste zum St. Vincent’s, zu dem Gipfeltreffen, das sowohl Ezra als auch Joe eingefordert hatten.
Als er an die Kreuzung gegenüber vom Haupteingang des Krankenhauses kam, musste er an der Ampel warten. Das verschaffte ihm genügend Zeit, um festzustellen, dass das Schild vor dem alten Sanatorium, auf dem der Bau der Villager-Genossenschaftswohnungen angekündigt wurde, jetzt mit einem neuen Banner protzte. Darauf hieß es:
GRUNDSTEINLEGUNG AM 1 . JANUAR !
VERKAUFSBÜRO ÖFFNET IN KÜRZE .
Er meinte sogar, jemanden hinter den Fenstern im obersten Stock zu sehen, vielleicht einen Mitarbeiter des Abrissunternehmens. Nur in New York City, wo der Immobilienmarkt selbst jetzt noch verrückt spielte, konnte ein Bauunternehmer damit rechnen, dass die Leute Schlange standen, um eine Wohnung in einem Gebäude zu erwerben, das bislang nur auf dem Papier existierte.
Als er schließlich die Verbrennungsintensivstation erreichte, hörte er bereits Ezras Stimme aus Joes Zimmer. Verdammt, eigentlich hatte er die beiden einander vorstellen wollen. Außerdem wollte er dabei sein, um, falls nötig, den ersten Schock, den Ezra möglicherweise bei Joes Anblick zeigen könnte, zu überspielen.
Doch als er eintrat, stellte er fest, dass er sich unnötig Sorgen gemacht hatte. Ezra hatte sich einen Stuhl neben das Bett gezogen, und Joe wandte ihm aufmerksam den Kopf zu. Sie erweckten den Eindruck von engen Verbündeten, die es ihm geradezu verübelten, dass er sie störte. Zum Gruß hob Joe seine verbrannten Finger, und Ezra nickte kurz, um sogleich mit seinen Ausführungen fortzufahren.
»Lasst euch durch mich nicht stören«, sagte Carter, hockte sich auf die Heizkörperabdeckung auf der anderen Seite des Bettes und ließ seine Aktentasche neben sich fallen. Darin befand sich Joes Kruzifix, das er ihm in einem ungestörten Moment zurückzugeben gedachte.
»Ich habe Joe gerade von einem Mann erzählt, den ich gesehen habe«, wiederholte Ezra, »demjenigen, der dem Felsen entstiegen ist.«
Carter fühlte sich, als würde er plötzlich im freien Fall das Kaninchenloch hinunterstürzen. »Ach ja?«, sagte er skeptisch. »Und
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