Das letzte Relikt
der Krankenwagen käme.
Gertrude stürzte ins Zimmer. »Gott im Himmel«, flüsterte sie, »Ich habe den Notarzt gerufen«, sagte sie zu Ezra.
Zehn Minuten später waren die Sanitäter da, hoben Kimberly auf eine Trage und rollten sie eilig hinaus zum Fahrstuhl. Ezra rief im Büro seines Vaters an, von wo aus die Sekretärin den Anruf nach Dallas weiterleitete. Sam saß gerade im Konferenzsaal und handelte irgendeinen Vertrag aus. Als Ezra ihm mitteilte, dass Kimberly erkrankt und ins Krankenhaus gebracht worden sei, schwieg er einen Moment. Anschließend bombardierte er Ezra mit Fragen. Welches Krankenhaus? Warum hatte er nicht Sams Hausarzt gerufen? Was stimmte nicht mit ihr? Wer hatte die Diagnose gestellt?
Ezra beantwortete so viele Fragen wie möglich, aber da er selbst nicht viel wusste, konnte er spüren, wie die Enttäuschung seines Vaters mit jeder Minute wuchs.
»Ich sehe zu, dass ich hier fertig werde«, erklärte Sam, »und komme so schnell wie möglich zurück.«
»Gibt es irgendetwas, das ich in der Zwischenzeit für dich tun kann?«
»Ja! Ich möchte, dass du ins Krankenhaus fährst und dafür sorgst, dass sie verdammt nochmal alles bekommt, was sie braucht.«
Ezra legte auf und hatte das Gefühl, wieder einmal irgendetwas falsch gemacht zu haben. Sein Vater vermittelte ihm ständig dieses Gefühl.
Er ging zurück in sein Zimmer. Er wagte kaum auf die leere Stelle auf seinem Zeichentisch zu blicken, wo das Fragment der Schriftrolle gelegen hatte. Er nahm seinen Mantel und fuhr nach unten. Vom Pförtner, Alfred, ließ er sich ein Taxi rufen, und während sie warteten, schüttelte Alfred den Kopf und sagte: »Tut mir furchtbar leid, diese Sache.«
»Ja, ist wirklich schrecklich.«
»Sie sieht immer so hübsch aus, und diese Partys, die sie immer schmeißt, bringen uns in die Zeitung.«
Was genau ihre Absicht ist, dachte Ezra.
»Ach ja, falls Sie das zurückhaben wollen«, sagte der Pförtner und zog ein paar Papiere aus seiner Uniformtasche, »Mrs Metzger will sie immer gerne wiederhaben.«
Ezra blickte auf das geprägte Briefpapier und sah, dass es sich um eine Liste der geladenen Gäste handelte, mit kleinen Häkchen hinter fast allen Namen.
»Sie bat mich, die Gäste bei ihrer Ankunft zu überprüfen«, sagte der Pförtner, »und ihr die Liste nach der Party zurückzugeben. Für ihre Unterlagen, nehme ich an.«
»Ich werde es ihr geben«, sagte Ezra, während das Taxi in die Auffahrt einbog und er hinten einstieg.
»Doctors Hospital«, sagte er, und der Wagen fuhr an.
Während er auf dem Rücksitz saß und in den späten grauen Nachmittag starrte, dachte er über alles nach, was gerade geschehen war. Kimberlys Delirium, der Schaden an der Schriftrolle. Zu seiner geheimen Schande wusste er genau, was ihn mehr bekümmerte. Kimberly würde geheilt werden, von was immer sie plagte, aber die Schriftrolle? Die würde nie wieder restauriert und jener Teil des Textes nie wiederhergestellt werden können. Er hatte immer das Gefühl gehabt, die Schriftrolle sei ihm anvertraut worden, möglicherweise von einer höheren Macht. Seine Aufgabe, seine Pflicht war es gewesen, sie zu schützen. Doch er hatte wieder einmal versagt.
Das Taxi hielt vor einer Ampel in der First Avenue, und Ezra blickte auf den Ausdruck der Gästeliste in seiner Hand. Manche der Namen – des Bürgermeisters, einiger Stadträte, alter Freunde der Familie – erkannte er. Auf den anderen Seiten standen reihenweise Namen, die wahrscheinlich nur Kimberly etwas sagten. Er blätterte bis zum Ende der Liste, und dort entdeckte er noch ein paar Namen in lavendelfarbener Tinte hingekritzelt. Vermutlich Einladungen in letzter Minute, die sie selbst handschriftlich hinzugefügt hatte.
Da war ein Mr Donlan, Mr und Mrs Lamphere und am Ende, mit einem großen Fragezeichen daneben, ein Mr Arius.
Hm. Das war ein seltsamer Name. Und was hatte das Fragezeichen zu bedeuten?
Vermutlich war sie sich nicht sicher gewesen, ob er kommen würde.
In diesem Moment fuhr das Taxi weiter, und er dachte wieder an jenen Abend. Erinnerte sich an eine weitere Merkwürdigkeit.
Dieser große blonde Mann, mit dem er im Korridor zusammengestoßen war. Seinen Namen kannte er zwar nicht, aber er war aus der Richtung von Kimberlys Schlafzimmer gekommen.
Er dachte an die Prellungen, die er auf ihrem Körper gesehen hatte. Male, von denen er sich einfach nicht vorstellen konnte, dass sein Vater dafür verantwortlich sein sollte.
Er dachte an die
Weitere Kostenlose Bücher