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Das letzte Relikt

Das letzte Relikt

Titel: Das letzte Relikt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Masello
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lauerte ihm Bills Frau, oder besser gesagt Witwe, auf. »Ich hasse es, das zu fragen«, sagte sie, »aber hätten Sie vielleicht noch Zeit, mit zum Trauergottesdienst zu kommen?«
    Carter war sich nicht sicher, wovon sie sprach – war er nicht gerade bei einer Trauerfeier?
    »Die eigentliche Beerdigung«, sagte sie. »Sie findet in einer halben Stunde statt und wird nicht länger als fünfzehn Minuten dauern.«
    Beth murmelte Carter zu: »Ich muss zurück zur Galerie, oder Raleigh bringt mich um.«
    »Ich verstehe«, sagte Suzanne ernst zu ihr, »und vielen Dank, dass Sie gekommen sind.« Dann wandte sie sich erneut an Carter. »Aber Bills Familie war von Ihrer Rede so gerührt. Ich weiß, dass es ihnen eine Menge bedeuten würde, wenn Sie dabei wären. Sie könnten mit uns zum Friedhof fahren.«
    Sie deutete auf eine Mietlimousine, die bereits am Straßenrand wartete.
    Carter fühlte sich in der Falle. Wie sollte er so eine Bitte abschlagen?
    Beth beantwortete die Frage für ihn. »Wir sehen uns dann zu Hause«, sagte sie. »Ich bin gegen halb acht wieder da.«
    Während Beth die Straße überquerte, um ein Taxi heranzuwinken, das sie zur Galerie bringen würde, wurde Carter genötigt, zu Suzanne und Bills Eltern in die wartende Limousine zu steigen. Erst als er eingekeilt auf der Rückbank saß und der Wagen anfuhr, fragte er sich, wo der Friedhof sich wohl befand. Sein Herz sank, als Bills Dad davon erzählte, wie es war, als Bill in Forest Hill aufgewachsen war. Dort hatte er Autofahren gelernt, auf den ruhigen Straßen des örtlichen Friedhofs. Als der Fahrer der Limousine den Midtown Tunnel ansteuerte, fand Carter sich damit ab, dass er nach Queens, irgendwohin weit draußen unterwegs war.
    Die Fahrt dauerte gar nicht so lange, aber Carter kam es vor wie eine Ewigkeit. Schließlich passierten sie das Tor des Greenlawn Friedhofs und fuhren zu einer offenen Grabstelle, die zwischen diversen anderen bereits belegten Gräbern eingezwängt war. Carter konnte es kaum abwarten, von der Rückbank zu kriechen, sich zu strecken und die frische Luft zu atmen. Obwohl er sich auf einem Friedhof befand.
    Ein paar Wagen hielten hinter ihnen an, und Leute vom Bestattungsinstitut stiegen aus. Carter wusste nicht, wie viele dieser Beileidsbekundungen er noch ertrug, und entfernte sich ein paar Schritte, um Kopf und Lungen freizubekommen. Der Boden war festgestampft, und das Gras, das noch übrig war, war braun und verkümmert. Bei flüchtiger Musterung schienen die Grabsteine allesamt irische oder italienische Familiennamen zu tragen, manche hatten Sterbedaten vom Anfang des zwanzigsten Jahrhunderts. Auf einer kleinen Anhöhe blieb er stehen und sah sich um. Kilometerweit erstreckte sich der Friedhof in alle Richtungen. Hier und dort standen verstreut ein paar schwarze Bäume, deren nackte Zweige verloren über marmornen Mausoleen hingen. Nicht weit von ihm entfernt legte eine ältere Frau einen Kranz auf einem Grabstein nieder. Im Licht der späten Nachmittagssonne hob sich in der Ferne eine hochgewachsene Gestalt mit rotem Mantel vom Horizont ab. Sie verschwand hinter einem massiven Grabstein, auf dem ein trompetender Engel stand. Der Wind seufzte, hob das tote Laub an und blies es gegen Carters Beine.
    Er sollte besser umkehren. Nicht, dass irgendjemand noch glaubte, er würde der eigentlichen Beerdigung nicht beiwohnen wollen.
    Unten am offenen Grab war der Sarg auf eine Art mechanische Vorrichtung gestellt worden, die ihn in die Grube senken würde. Der Priester, der jetzt einen schwarzen Überzieher und Galoschen trug, stand am einen Ende des offenen Grabes. Eine weiße Stola lag um seinen Hals drapiert, und in der Hand hielt er ein Buch mit dem Titel
Die häufigsten Gebete
. Suzanne, Bills Eltern und mehr als ein Dutzend Leute hatten sich versammelt und stampften gelegentlich mit den Füßen auf, um sich warm zu halten. Der harte karge Boden schien die Kälte regelrecht abzustrahlen.
    Der Priester dankte ihnen allen dafür, dass sie gekommen waren. Dann, als spürte er ebenfalls die Auswirkungen des Wetters, öffnete er rasch das Buch und begann zu lesen. Während er sprach, hielt Carter den Kopf gesenkt, aber er konnte es sich nicht verkneifen, hin und wieder aufzuschauen. Die meisten Trauergäste hielten den Kopf gesenkt und den Blick zu Boden gerichtet, doch einige starrten auch einfach in die Ferne. Bills Mom betete leise, aber innig, die Worte mit, die der Priester laut vorlas. Glaube, dachte Carter nicht zum

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