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Das letzte Revier

Das letzte Revier

Titel: Das letzte Revier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Cornwell
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haben.« Berger blättert in Fotos und findet dasjenige, auf dem Brays grüne Satinbluse und schwarzer BH auf dem Boden liegen. »Hier, relativ nahe am Bett, haben wir Hirngewebe gefunden«, entziffere ich die grusligen Hieroglyphen.
    »Er legt sie selbst aufs Bett«, sagt Berger. »Anstatt sie dazu zu zwingen, sich darauf zu legen. Die Frage ist, ob sie jetzt noch bei Bewusstsein ist.«
    »Ich glaube es nicht.« Ich deute auf kleine Stücke schwarzen Gewebes, die am Kopfteil, den Wänden, der Nachttischlampe und der Decke über dem Bett kleben. »Hirngewebe. Sie kriegt nicht mehr mit, was passiert. Aber das ist nur meine Meinung«, erkläre ich. »Lebt sie noch?«
    »Sie blutet noch immer.« Ich deute auf tiefschwarze Bereiche der Matratze. »Das ist keine Meinung, das ist eine Tatsache. Sie hat noch immer einen Blutdruck, aber es ist unwahrscheinlich, dass sie noch bei Bewusstsein ist.«
    »Gott sei Dank.« Berger hat ihre Kamera genommen und macht Fotos. Sie ist geschickt und gut ausgebildet. Sie geht aus dem Zimmer und fotografiert ununterbrochen, während sie zurückkommt, illustriert, was ich ihr gerade erzählt habe. »Ich werde Escudero herschicken, damit er es auf Video aufnimmt«, sagt sie.
    »Die Polizei hat bereits eine Videoaufnahme gemacht.«
    »Ich weiß.« Wieder und wieder blitzt es. Es ist ihr gleichgültig. Berger ist eine Perfektionistin. Sie will, dass es auf ihre Art gemacht wird. »Ich hätte zu gern, dass Sie auf dem Band alles noch einmal erklären, aber das geht nicht.«
    Es geht nicht, außer sie nimmt in Kauf, dass auch der Anwal t der Gegenseite Zugang zu dem Band hat. Da sie bislang nichts notiert hat, bin ich sicher, dass sie Rocky Caggiano kein Wort -weder geschrieben, noch gesprochen - zukommen lassen will, abgesehen von meinen üblichen Berichten. Sie ist extrem vorsichtig. Auf mir liegt ein Verdacht, den ich beim besten Willen nicht ernst nehmen kann. Ich kann mir immer noch nicht vorstellen, dass jemand ernsthaft glaubt, ich hätte die Frau ermordet, deren Blut überall um uns herum an den Wände n klebt.
    Berger und ich sind mit dem Schlafzimmer fertig. Als Nächstes besichtigen wir andere Räume des Hauses, denen ich kaum oder keine Aufmerksamkeit zollte, als ich zu Brays Leiche gerufen wurde. Ich sah nur in das Medizinschränkchen in ihrem Bad. Das tue ich immer. Was die Leute unternehmen, um körperliches Unwohlsein zu beheben, erzählt immer eine Geschichte. Ich weiß, wer unter Migräne oder einer Geisteskrankheit leidet oder von seiner Gesundheit besessen ist. Ich weiß, welches Brays Lieblingsmedikamente waren, Valium und Ativan. Ich fand hunderte von Pillen davon in Flaschen für Schmerztabletten. Sie hatte auch eine kleine Menge BuSpar vorrätig. Bray mochte Beruhigungsmittel. Sie sehnte sich nach Trost. Berger und ich betreten ein Gästezimmer am anderen Ende des Flurs. Ich war noch nie zuvor in diesem Raum, und natürlich wirkt er völlig unbewohnt. Er ist nicht einmal möbliert, sondern mit Umzugskisten voll gestellt, die Bray nie ausgepackt hat.
    »Haben Sie nicht auch allmählich das Gefühl, dass sie nicht lange bleiben wollte?« Berger spricht jetzt mit mir, als wäre ich Mitglied ihres Teams, ihre Partnerin. »Denn mir geht es so. Man nimmt nicht eine hohe Stelle bei der Polizei an, ohne davon auszugehen, dass man zumindest ein paar Jahre bleiben wird. Auch wenn der Job nichts weiter als eine Stufe in der Karriereleiter ist.« Ich sehe mich im dazugehörigen Bad um un d stelle fest, dass kein Toilettenpapier, keine Kosmetiktücher, nicht einmal Seife vorhanden sind. Aber im Medizinschränkchen finde ich etwas, was mich überrascht. »Ex-Lax«, sage ich. »Mindestens ein Dutzend Schachteln.«
    Berger taucht in der Tür auf. »Aha«, sagt sie. »Vielleicht hatte unsere Freundin ein Essproblem.«
    Es ist nicht ungewöhnlich, dass Menschen, die unter Bulimie leiden, Abführmittel nehmen, um sich nach dem Essen zu entleeren. Ich hebe die Brille der Toilette hoch und finde rötliche Spuren von Erbrochenem, die sich am Rand der Schüssel festgesetzt haben. Bray aß vor ihrem Tod vermutlich Pizza, und sie hatte nur sehr wenig im Magen: Spuren von Hackfleisch und Gemüse. »Wenn sich jemand nach dem Essen übergibt und vielleicht eine halbe Stunde oder eine Stunde später stirbt, müsste ihr Magen dann vollkommen leer sein?« Berger folgt meinem Gedankengang. »Es würden immer noch Speisereste an der Magenwand kleben.« Ich klappe den Toilettensitz wieder herunter. »Ein

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