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Das letzte Revier

Das letzte Revier

Titel: Das letzte Revier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Cornwell
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noch sprechen oder gehen konnte, als sie auf dem Bett lag. Sehen Sie hier und hier und hier und hier.« Ich deute auf Fäden, die zu Blutstropfen gleich hinter der Tür führen. »Diese Blutspuren gehen auf das Ausholen mi t der Waffe zurück - in diesem Fall ein Maurerhammer.« Berger betrachtet das leuchtend pinkfarbene Fädengewirr und versucht es mit dem in Verbindung zu bringen, was sie auf den Fotos sieht. »Sagen Sie mir die Wahrheit«, sagt sie. »Halten Sie die Fadenmethode für wirklich aussagekräftig? Ich kenne Polizisten, die finden, sie ist reine Zeitverschwendung.«
    »Nicht, wenn die Leute wissen, was sie tun, und sich an wissenschaftliche Standards halten.«
    »Und die wären?«
    Ich erkläre ihr, dass Blut zu einundneunzig Prozent aus Wasser besteht. Wie alle Flüssigkeiten unterliegt es bestimmten physikalischen Gesetzen, und sein Verhalten wird von Bewegung und Schwerkraft beeinflusst. Ein typischer Blutstropfen fällt 7,65 Meter pro Sekunde. Der Durchmesser eines Fleckens wird größer, je größer die Fallhöhe ist. Blut, das auf Blut tropft, bildet eine Korona von Spritzern um den ursprünglichen Flecken. Verspritztes Blut hinterlässt lange, schmale Spritzspuren um einen zentralen Flecken, und wenn Blut trocknet, wechselt es die Farbe von Hellrot zu Braunrot zu Braun zu Schwarz. Ich kenne Experten, die ihr ganzes Berufsleben damit verbracht haben, medizinische Tropfer mittels einer Senkschnur an Stativen zu befestigen, Blut aus unterschiedlichen Winkeln und Höhen auf unterschiedliche Oberflächen zu pressen, zu tropfen, zu schütten oder zu schleudern, durch Blutlachen zu gehen, zu stapfen oder hineinzuschlagen, zu experimentieren. Und dann kommt natürlich die Mathematik ins Spiel, Geometrie und Trigonometrie, um den Ursprung zu bestimmen. Das Blut von Diane Bray in ihrem Schlafzimmer ist wie eine Videoaufnahme dessen, was geschehen ist, aber in einem unlesbaren Format, außer wir ziehen wissenschaftliche Methoden, Erfahrung und deduktive Verfahren zu Rate. Berger besteht darauf, dass ich mich auch meiner Intuition bediene. Sie möchte erneut, dass ich die Grenzen klinischer Medizin überschreite. Ich verfolg e Dutzende von Fäden, die Spritzer an der Wand und dem Türrahmen mit einem Punkt mitten in der Luft verbinden, das heißt mit einem antiken Garderobenständer, den die Kriminaltechniker aus dem Flur geholt haben. Daran haften in ein Meter fünfzig Höhe die Fäden, um den Ursprung der Blutspuren festzulegen. Ich zeige Berger, wo Bray wahrscheinlich stand, als sie Chandonnes erster Schlag traf. »Sie stand gut einen Meter im Raum«, sage ich. »Sehen Sie den sauberen Bereich an der Wand hier?« Ich deute auf ein Stück Wand, an dem sich keine Blutspuren befinden, darum herum jedoch jede Menge Blutspritzer. »Ihr oder sein Körper schirmte die Wand vor den Blutspritzern ab. Sie stand aufrecht. Oder er. Und wenn er aufrecht stand, dann können wir annehmen, dass auch sie stand, denn man schlägt nicht stehend auf eine liegende Person ein.« Ich mache es ihr vor. »Außer man hätte einen Meter achtzig lange Arme. Der Ursprung des Bluts ist über einen Meter fünfzig über dem Boden, was bedeutet, dass hier die Schläge auf ihr Ziel trafen. Ihren Körper. Aller Wahrscheinlichkeit nach auf ihren Kopf.« Ich trete näher ans Bett. »Jetzt steht sie nicht mehr.« Ich deute auf Schmierflecken und Tropfen auf dem Boden und erkläre, dass Tropfen, die im rechten Winkel fallen, runde Flecken bilden. Wenn man zum Beispiel auf allen vieren ist und Blut aus dem Gesicht direkt auf den Boden tropft, sind die Flecken rund. Was der Fall ist. Manche sind verschmiert. Sie bedecken den Boden auf einer Länge von gut einem halben Meter. Bray war für kurze Zeit auf Händen und Knien, versuchte vielleicht, von ihm fortzukriechen, während er auf sie einschlug. »Hat er sie getreten oder sonst wie mit den Füßen traktiert?«, fragt Berger.
    »Meine Befunde deuten nicht darauf hin.« Es ist eine gute Frage. Stoßen und Treten würden das Verbrechen emotional anders einfärben.
    »Hände sind persönlicher als Füße«, sagt Berger. »Das lehrt mich meine Erfahrung mit Lustmorden. Nur selten wird mit de n Füßen getreten oder auf dem Opfer herumgetrampelt.« Ich weise sie auf weitere Spritzer hin, die von der Waffe stammen, und gehe dann zu einer geronnenen Blutlache in einiger Entfernung vom Bett. »Hier hat sie viel Blut verloren«, sage ich. »Hier könnte er ihr die Bluse und den BH vom Leib gerissen

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