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Das letzte Revier

Das letzte Revier

Titel: Das letzte Revier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Cornwell
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Fragen.
    »Glauben Sie, dass sie sich sexuell für Sie interessiert hat?«, fragt Berger beiläufig, als sie einen weiteren Schrank öffnet. Gläser und Geschirr stehen darin. »Es wird gemunkelt, dass sie auf beiden Seiten des Netzes spielte.«
    »Das wurde ich schon einmal gefragt. Ich weiß es nicht.«
    »Hätte es Ihnen etwas ausgemacht, wenn es so gewesen wäre?«
    »Es wäre mir wahrscheinlich nicht recht gewesen«, gebe ich zu. »Ist sie oft essen gegangen?« »Das nehme ich an.«
    Berger stellt mir Fragen, auf die sie die Antworten vermutlich schon kennt. Sie will hören, was ich zu sagen habe, und meine Wahrnehmungen gegen die anderer abwägen. Manche Fragen klingen fast wie das Echo von Fragen, die Anna mir bei unseren Sitzungen vor dem Kamin stellte. Ich frage mich, ob womöglich auch Berger mit Anna gesprochen hat.
    »Erinnert mich an einen Laden, der als Fassade für illegale Geschäfte dient«, sagt Berger, als sie das Schränkchen unter der Spüle öffnet: ein paar Putzmittel und getrocknete Schwämme. »Machen Sie sich keine Sorgen.« Sie scheint meine Gedanken zu lesen. »Ich werde nicht zulassen, dass Ihnen jemand vor Gericht solche Fragen stellt, über Ihr Sexleben und so weiter. Auch nichts über Brays Privatleben. Mir ist klar, dass sie dafür eigentlich keine Expertin sein dürften.«
    »Dass ich dafür keine Expertin sein darf?« Das erscheint mir eine eigenartige Bemerkung.
    »Das Problem ist, dass Sie einiges, was Sie wissen, nicht nur vom Hörensagen wissen, sondern direkt von ihr selbst. Sie hat Ihnen zum Beispiel erzählt« - Berger zieht eine Schublade auf -»dass sie oft allein zum Essen ging oder an der Bar i m Buckhead's saß.«
    »Das hat sie mir erzählt.«
    »An dem Abend, als Sie sie auf dem Parkplatz trafen und sie zur Rede stellten?«
    »An dem Abend, als ich zu beweisen versuchte, dass sie mit meinem Assistenten Chuck unter einer Decke steckte.«
    »Und so war es auch.«
    »Leider«, sage ich. »Und Sie haben sie gestellt.« »Ja.«
    »Der gute alte Chuck ist im Gefängnis, wo er hingehört.« Berger geht aus der Küche. »Und wenn es nicht Hörensagen ist«, kehrt sie zu dem früheren Thema zurück, »wird Rocky Caggiano Sie fragen, und dagegen kann ich keinen Einspruch erheben. Und wenn ich's versuche, bringt uns das nicht weiter. Das muss Ihnen klar sein. Und wie Sie das dastehen lässt.«
    »Im Augenblick mache ich mir größere Sorgen, wie mich das alles in den Augen der Anklagejury aussehen lässt«, erwidere ich. Im Flur bleibt sie stehen. An dessen Ende befindet sich das Schlafzimmer hinter einer Tür, die achtlos einen Spalt offen steht und so die kalte Atmosphäre von Vernachlässigung und Gleichgültigkeit in diesem Haus verstärkt. Berger sieht mir in die Augen. »Ich kenne Sie nicht persönlich«, sagt sie. »Niemand in dieser Jury wird Sie persönlich kennen. Ihr Wort wird gegen das Wort einer ermordeten Polizistin stehen, nämlich dass sie es war, die Sie schikanierte, und nicht umgekehrt, und dass Sie nichts mit ihrer Ermordung zu tun haben - auch wenn Sie glauben, dass die Welt ohne sie besser dran ist.«
    »Haben Sie das von Anna oder von Righter?«, frage ich sie voll Bitterkeit.
    Sie geht den Flur entlang. »Dr. Kay Scarpetta, Sie werden sich ziemlich bald ein dickes Fell zulegen müssen«, sagt sie. »Das habe ich gerade zu meiner Mission gemacht.«

26
     
    Blut ist Leben. Es verhält sich wie ein lebendiges Wesen. Wenn der Blutkreislauf an irgendeiner Stelle unterbrochen wird, zieht sich das Blutgefäß in Panik zusammen, macht sich kleiner in dem Versuch, die durchfließende Blutmenge zu verringern, damit weniger Blut durch den Riss oder Schnitt austritt. Blutplättchen beginnen sofort damit, das Loch zu stopfen. Es gibt dreizehn Faktoren, die an der Blutgerinnung beteiligt sind, und gemeinsam versuchen sie, den Blutverlust zu stoppen. Ich glaube auch, dass Blut aus einem bestimmten Grund eine leuchtend rote Farbe hat. Es ist die Farbe, die Alarm, Notfall, Gefahr und Schmerz signalisiert. Wenn Blut wie Schweiß eine klare Flüssigkeit wäre, würden wir vielleicht nic ht merken, dass wir oder andere verletzt sind. Das leuchtende Rot unterstreicht die Bedeutung des Bluts, und es ist die Sirene, die heult, wenn die schlimmste aller Verletzungen eintritt: wenn jemand verstümmelt oder umgebracht wird. Diane Brays Blut schreit auf in Tropfen und Tröpfchen, in Spritzern und Schmierflecken. Blut plaudert aus, wer was wie getan hat und manchmal auch warum. Die

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