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Das letzte Revier

Das letzte Revier

Titel: Das letzte Revier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Cornwell
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im Schritt heraus. »So lüftet man anderer Leute schmutzige Wäsche«, sagt sie. »Manchmal komme sogar ich mir wie ein Voyeur vor. Vielleicht hatte sie vor kurzem ihre Periode. Nicht, dass das notwendigerweise etwas mit den Teepreisen in China zu tun hätte.«
    »Könnte es aber«, sage ich. »Hängt davon ab, wie es ihr e Stimmungen beeinflusste. PMS könnte ihre Eßstörung verschlimmert haben, und Stimmungsschwankungen haben ihrer flatterhaften Beziehung zu Anderson bestimmt nicht gut getan.«
    »Es ist schon erstaunlich, wie gewöhnliche, normale Dinge manchmal zu einer Katastrophe führen können.« Berger wirft den Slip zurück in die Waschmaschine. »Ich hatte mal einen Fall. Ein Mann musste pinkeln und fährt in eine kleine Seitenstraße der Bleecker Street, um sich zu erleichtern. Er sieht nicht, was er tut, bis ein Auto vorbeifährt und die Straße gerade so weit erhellt, dass der arme alte Mann merkt, dass er auf eine blutverschmierte Leiche pinkelt. Der Mann erleidet einen Herzinfarkt. Ein bisschen später überprüft ein Polizist sein verkehrswidrig abgestelltes Auto in der Straße und findet einen toten Lateinamerikaner mit multiplen Stichwunden. Neben ihm liegt ein älterer Weißer, dem der Schwanz aus der offenen Hose hängt.« Berger geht zu einem Waschbecken, wäscht sich die Hände und schüttelt sie aus. »Es hat eine Weile gedauert, bis wir herausgefunden hatten, was passiert war.«

27
     
    Um halb zehn sind wir mit unserem Rundgang durch Brays Haus fertig, und obwohl ich müde bin, ist an Schlaf nicht zu denken. Auf eine erschöpfte Art bin ich voller Energie. In meinem Kopf geht es zu wie in einer Großstadt bei Nacht, und fast fühle ich mich, als hätte ich Fieber. Hoffentlich muss ich nie einer anderen Person gegenüber zugeben, wie viel Spaß es mir macht, mit Berger zu arbeiten. Ihr entgeht nichts. Sie hält sich zurück. Ich bin fasziniert. Ich habe die verbotene Frucht gekostet, meine bürokratischen Grenzen zu überschreiten, und sie schmeckt mir. Ich lasse Muskeln spielen, die ich nur selten benutze, weil Berger meinen Zuständigkeitsbereicht nicht beschränkt, und sie stellt keine territorialen Forderungen und ist nicht unsicher. Vielleicht möchte ich auch, dass sie mich respektiert. Sie gibt Eric Bray den Hausschlüssel zurück. Er hat keine Fragen an uns und scheint nicht einmal neugierig zu sein, er will nur weg.
    »Wie fühlen Sie sich?«, fragt mich Berger, als sie losfährt. »Können Sie noch?«
    »Ich kann noch.«
    Sie schaltet ein Licht im Wageninneren an und blinzelt auf einen Postit-Zettel am Armaturenbrett. Sie wählt eine Nummer auf ihrem Autotelefon, der Lautsprecher ist eingeschaltet. Ich höre ihre eigene Ansage, dann gibt sie einen Code ein, um zu sehen, wie viele Nachrichten hinterlassen wurden. Acht. Als Nächstes greift sie zum Mobilteil, sodass ich die Botschaften nicht mit anhören kann. Das erscheint mir merkwürdig. Wollte sie aus irgendeinem Grund, dass ich weiß, wie viele Nachrichten hinterlassen wurden? Während der nächsten Minuten bin ich allein mit meinen Gedanken. Sie steuert durch mein e Wohngegend, das Telefon am Ohr. Sie geht die Nachrichten schnell durch, und ich habe den Verdacht, dass sie ebenso wie ich zu Ungeduld neigt. Wenn jemand weitschweifig ist, lösche ich die Nachricht häufig, bevor sie zu Ende ist. Ich bin sicher, Berger macht es ebenso. Wir fahren auf der Sulgrave Road durch das Herz von Windsor Farms, kommen am Virginia House und an der Agecroft Hall vorbei - alte Tudor-Häuser, die wohlhabende Bürger Richmonds in England abbauen, in Kisten verpacken und hierher verschiffen ließen zu einer Zeit, als dieser Teil der Stadt ein einziges riesiges Anwesen war. Wir nähern uns dem Wachhäuschen von Lockgreen, dem Viertel, wo ich wohne. Rita tritt aus dem Häuschen, und ihrer ausdruckslosen Miene sehe ich an, dass sie diesen Wagen und seine Fahrerin kennt. »Hallo«, sagt Berger zu ihr. »Ich habe Dr. Scarpetta dabei.« Rita beugt sich vor, und ihr Gesicht strahlt im offenen Fenster. Sie freut sich, mich zu sehen. »Willkommen zu Hause«, sagt sie eine Spur erleichtert. »Hoffentlich bleiben Sie auch. Es fehlt was, wenn Sie nicht da sind. Ziemlich ruhige Tage.«
    »Ich komme morgen nach Hause.« Ich fühle mich gespalten, ja sogar ängstlich, als ich mich diese Worte sagen höre. »Fröhliche Weihnachten, Rita. Schaut so aus, als müssten wir heute Abend alle arbeiten.«
    »Was sein muss, muss sein.«
    Als wir wieder losfahren, fühle

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