Das letzte Riff
so voller Mißtrauen und Eifersucht gewesen, daß er seinen Ersten Offizier hatte erschießen wollen, denn er glaubte ihn verantwortlich für die Schwangerschaft seiner jungen Frau. Schließlich konnten sie ihn entwaffnen, und er wurde wegen versuchten Mordes an seinem Ersten angeklagt.
Eine Insel also mit vielen Erinnerungen. Bolitho war hier mit seinem ersten Schiff gewesen, der Korvette
Sparrow
, und ein zweites Mal mit der Fregatte
Phalarope
. Er sah Allday ihn vom Backbordniedergang her beobachten. Ein schneller Blickwechsel, Zeichen ihrer engen Verbundenheit. In der Schlacht bei den Saintes-Inseln war sein damaliger Bootssteurer Stockdale gefallen, als er Bolitho den Rücken vor den Schüssen feindlicher Scharfschützen deckte. Und Bryan Ferguson hatte hier seinen Arm verloren; schließlich war Allday sein Bootssteurer geworden. Ja, auf Antigua erwarteten ihn viele Erinnerungen.
»Nachmittags können wir vor Anker gehen, Sir.« Keen runzelte die Stirn, als die Flagge im Masttopp bei dem schwachen Wind zusammenfiel. »Ich könnte Boote zu Wasser lassen, um uns zu schleppen.«
Bolitho antwortete: »Eine Stunde mehr oder weniger spielt keine Rolle, Val. Ich würde das mit den Booten lassen.« Er musterte die Männer an Deck. »Sie sehen zu erschöpft aus.«
»Sie werden aber auch das lernen müssen. Wenn wir jetzt ins Gefecht müßten …« Keen hob die Schultern. »Aber schon der bloße Anblick von Land tut gut.« Er entschuldigte sich, um gemeinsam mit dem Master die Karte zu studieren.
Bolitho hob wieder das Glas. Immer noch war die Entfernung viel zu groß, als daß er Landmarken hätte erkennen können oder gar die Häuser hinter der Werft.
Er sah Catherine vor sich, als geschähe alles erst jetzt.
Verblüfft, verlegen und halb blind war er ihr bei dem Empfang fast vor die Füße gestolpert. Sie hatte natürlich seine Augenverletzung sofort erkannt und ihn gedrängt, Rat bei den besten Ärzten Londons zu suchen.
Erneut berührte er sein Lid und fühlte den Schmerz wie eine Nadel stechen. Und doch konnte er zwischendurch auch wieder ganz unbehindert sehen. Doppelt tief war dann seine Verzweiflung, wenn das Auge versagte. Nelson mußte nach seiner Verwundung ähnliches empfunden haben.
Aber gerade jetzt wurde jeder erfahrene Offizier dringend gebraucht. Napoleon versuchte um jeden Preis, die Kräfte Englands zu zersplittern. Das tat er mit noch mehr Verbissenheit, seit ihm die Wegnahme der dänischen Flotte mißlungen war. Es wurde immer wieder gemeldet, daß kleine französische Geschwader die englische Blockade durchbrochen hatten und in Richtung Karibik verschwunden waren – vielleicht um Jamaika oder andere Inseln unter englischer Flagge anzugreifen. Das zwang Ihre Lordschaften dazu, dringend benötigte Schiffe vom Blockade- und Konvoidienst abzuziehen.
Die Sichtung des Schiffs, das der Freiwillige Owen als holländisch beschrieben hatte, mochte reiner Zufall sein. Doch Bolitho glaubte nicht daran. Eine kleine Fregatte, die allein segelte, hatte wahrscheinlich Depeschen für einen Befehlshaber an Bord und konnte ihm melden, daß Verstärkung für die Engländer unterwegs war – die
Black Prince
–, aber ohne Fregatten. Denn diese wären über das fremde Schiff wie eine Terriermeute hergefallen.
Die Sache mit Herrick, den er immer für seinen besten Freund gehalten hatte, fiel ihm ein. Godschale hatte ihn bei ihrem letzten Gespräch wohl absichtlich mit keinem Wort erwähnt. Und er hatte sich auch nicht für Bolithos Erwartungen in Bezug auf Herrick interessiert. Falls kein anderes Schiff vor der
Black Prince
nach Westindien gesegelt war, mußte Herrick immer noch glauben, Bolitho sei mit der
Golden Plover
untergegangen.
Er beschattete seine Augen mit der Hand. Die ferne Insel schien um keine Kabellänge nähergekommen zu sein. Tja, es gab eben zu viele Wenn und Aber. Wenn nun der Plan, die französischen Inseln Martinique und Guadeloupe zu erobern, mißlang? Ohne überwältigende Unterstützung von See her hatte er sowieso keine Chance. Es blieb also nur übrig, die Schiffe des Feindes sich an einem Ort sammeln zu lassen und sie dann in einer großen Seeschlacht zu besiegen. Bolitho ließ sich seine Gedanken nicht anmerken, denn Jenour beobachtete ihn. Aber er wußte: Sieben Linienschiffe und eine Fregatte waren sicher keine überwältigende Streitmacht.
Er hörte den Ruf des Ersten Offiziers. »Bitte um Erlaubnis, eine Bestrafung vornehmen zu dürfen, Sir! Vollmatrose Wilson, zwei Dutzend
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